Rezension

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Schöne Neuausgabe des Klassikers von Galsworthy

Die Forsyte Saga -

Die Forsyte Saga
von John Galsworthy

Bewertet mit 4 Sternen

John Galsworthy war ein britischer Schriftsteller, zu dessen Hauptwerk die Forsyte-Saga gehört, die in diesem Jahr in neuem Gewand vom Reclam-Verlag herausgebracht wird.

Der Schuber beinhaltet nicht nur die drei Teile (Der reiche Mann / Nachsommer-In Fesseln / Erwachen-Zu vermieten) in gebundener Form, sondern auch einen herausnehmbaren Stammbaum. Gerade der Stammbaum war beim Lesen äußerst hilfreich. Im Mittelpunkt der Reihe steht die Familie Forsyte, die Ende des 19. Jahrhunderts lebt und der englischen höheren Gesellschaft angehört. Im Anhang des letzten Teils kann man die Vita des Autors und das Nachwort zur aktuellen Ausgabe nachlesen, was mir ebenfalls sehr gut gefallen hat.

Ich gehe hier im Einzelnen zunächst auf die drei Teile ein und gebe abschließend im Fazit meine Einschätzung zur gesamten Reihe ab.

Achtung - innerhalb der Abschnitte sind ein paar Spoiler enthalten, was jedoch nicht anders möglich war für die Bewertung der Reihe.

1. Der reiche Mann

Die Geschichte startet 1886. Im Haus des Familienoberhaupts Jolyon Forsyte ("Der alte Forsyte") wird die Verlobung seiner Enkeltochter June mit dem jungen, aufstrebenden Architekten Bosinney, der der Familie zwar zugleich unter Stand erscheint, dennoch von June verteidigt wird.

Im Mittelpunkt des ersten Romans steht vor allem Soames Forsyte, einem der Neffen von Jolyon Forsyte. Ich vermute, nach ihm wurde auch dieser erste Teil benannt, da er im Buch immer wieder als "reich" bezeichnet wird. Er ist unglücklich mit Irene verheiratet, welcher die Freiheit in ihrer Ehe vermisst, die ihr zu Beginn der Beziehung versprochen wurde, Soames wiederum ziert seine Umgebung gerne mit seiner schönen Frau und versteht deren Probleme nicht. Die Ereignisse spitzen sich dramatisch zu, als Soames Bosinney den Auftrag gibt, für ihn in Robin Hill ein Haus zu bauen.

Was mir bei allen drei Teilen sehr oft aufgefallen ist, ist dass Galsworthy nicht müde wird, stets darauf hinzuweisen, dass das Verhältnis unter den einzelnen Familienmitgliedern vor allem durch Mißgunst und Kälte dominiert wird. So heißt es zum Beispiel auf Seite 101, dass es ein "typischer Mangel an Herzlichkeit" war, denn man bei den Forsytes beobachten konnte. Diese Verallgemeinerungen ziehen sich durch alle Bände durch, als gäbe es keine Individuen unter ihnen, sondern einfach die Forsytes. Selbst beim Essen hat man als Forsyte eine bestimmte, allgemein gültige Meinung. Für meinen Geschmack sind gerade diese Verallgemeinerungen zu viel des Guten.

Was mir auch einen Dorn ins Auge getrieben hat, ist die Art des Autors, vielen Geschehnissen eine Bewertung vorweg zu nehmen. Bei mir als Leserin hat Galsworthy damit den Eindruck erweckt, dass beim Leser möglichst keine eigenen Gedanken zum Geschehen, vor allem jedoch keine Überraschungsmomente aufkommen sollen. Selbst der Tod eines Familienmitglieds wird in einer Kapitelüberschrift angekündigt.

2. Nachsommer / In Fesseln

Der zeite Teil der Reihe startet circa 5 Jahre später als der erste Band - wie schon beim ersten Teil wird zunächst der Blick auf Jolyon Forsyte geworfen, der in dem Haus in Robin Hill wohnt - gemeinsam mit "dem jungen Jolyon", dessen zweiter Frau und den Kindern June, Holly und Jolly. Jolyon hat den Unmut über seinen Sohn überwunden und genießt die Nähe, da er im Stadthaus nach Junes Auszug vereinsamt war. Doch nun überkommt ihn erneut die Einsamkeit. Irene, die inzwischen von Soames nach den Geschehnissen des ersten Teils geschieden ist, kommt ihn und die Enkel öfters besuchen und gewinnt einen Platz in seinem Herz.

Gegen 1920 verstirbt Jolyon Forsyte. Da er mein favorisierter Protagonist war, hatte ich mit dem Einstieg in den zweite Teil der Handlung ein wenig Schwierigkeiten.

Was mir hier gut gefallen hat, war daher vor allem die erste Hälfte des Buches - in der ein größerer Fokus auf "den alten Jolyon" gelegt wird. Irene ist ebenfalls ein sehr interessanter Charakter und losgelöst von Soames lernt man sie meines Erachtens viel besser kennen. Was mir nicht so gut gefallen hat, sind die familieninternen Zwistigkeiten (z.B. Dartie vs. Dartie). Das war zwar auch im ersten Band schon vorhanden, aber ich hatte das Gefühl, dass dies im zweiten Teil ein wenig dazu genutzt wurde, um das Buch mit weiterer Handlung zu füllen, was es meines Erachtens nicht gebraucht hätte, denn gerade Jolyon Forsyte als Protagonist hätte hier genügt.

Soames bleibt unsympatisch wie eh und je - sein Vermögen ist noch einmal angewachsen, doch sein persönliches Glück wird wie schon von jeher davon überschattet, dass sein Verhältnis zu Irene gestört ist: einerseits will er sich von ihr scheiden lassen, da er inzwischen eine andere Frau kennengelernt hat, andererseits scheint er den Gedanken nicht zu ertragen, dass jemand anderes als er sie "besitzen" könnte. Diese Idee, Irene zu besitzen hat sich auch schon im ersten Teil gezeigt.

3. Erwachen / Zu vermieten

Im letzten Tei der Forsyte Sage stehen die Enkel von Jolyon Forsyte im Mittelpunkt der Handlung.

Was ich in diesem Teil interessant fand war, dass mir tatsächlich Soames sympathisch wurde - zumindest in seiner Liebe zu Fleur. Auch wenn er zunächst bei ihrer Geburt enttäuscht ist von der Tatsache, dass sie keine Tochter ist, schafft sie es über die Jahre, seine harte Schale zu knacken - sie "füllte sein Herz völlig aus" (S. 45), das heißt nach Irene hat er endlich einen Mensch, den er ohne Einschränkung lieben kann.

Die Familienzweige haben sich seit ewigen Jahren immer mehr auseinandergelebt, was vor allem auch durch den Tod des alten Jolyon noch verschärft wurde. War es in der Generation ihm und seinen Geschwistern noch so gewesen, dass man sich gegenseitig zwar mit Zweifel und Mißtrauen entgegen getreten ist, jedoch nach außen immer respektvoll miteinander umgegangen ist, werden nun offene Kriege ausgetragen. Früher galt, dass die Familie geschützt werden musste - um jeden Preis. Von diesem Motto ist zwei Generationen später kaum noch etwas zu spüren.

Der Autor versucht dies in seinem Abschlussteil zu entschärfen, was ihm meines Erachtens auch gelungen ist.

Fazit

Ich hatte zunächst ein paar Schwierigkeiten beim Einstieg. Zum einen gibt es wirklich sehr viele Charaktere, die gefühlt zeitgleich auf den Plan treten, zum anderen ist mir die Identifizierung mit den Protagonisten schwer gefallen, da ich zunächst nicht ausmachen konnte, wer im Mittelpunkt steht und wer nur Nebencharakter ist. Der Stammbaum hat zumindest ersteres erheblich vereinfacht.

Da ich regelmäßig Klassiker lese, daher war mir vorab klar, dass die Schreibe des Autors nicht mit der aktueller Autoren vergleichbar sein kann. Im Vergleich zu anderen Autoren seiner Zeit muss ich jedoch gestehen, dass Galsworthys Schreibe zwar flüssig ist und man daher auch alle drei Bücher in relativ kurzer Zeit lesen kann. Aber stets hatte ich beim Lesen eine gewisse Distanz zu den Charakteren, die auch nach der kompletten Lektüre des Werks nicht geschmolzen ist. Galsworthy lässt nicht zu, dass sich die Leserschaft ein eigenes Bild zu den Charakteren oder der Handlung machen, da er stets alles bewertend beschreibt bzw. ankündigt. Dies ist wohl der negativste Punkt an der Reihe. Alles in allem jedoch habe ich Lektüre sehr genossen und die neue Aufmachung ist sowohl optisch als auch qualitativ sehr gelungen.