Rezension

Für mich nicht unbedingt ein Jugendbuch

Der Krieg und das Mädchen
von Jürgen Seidel

Bewertet mit 3 Sternen

Im Sommer 1914 kann man den drohenden Ausbruch des Krieges förmlich spüren. Er liegt in der Luft und treibt seltsame Blüten. Selbst die Sommerfrische am Müggelsee, zu der die Jungen der Unterprima eines Charlottenburger Gymnasiums aufbrechen, gestaltet sich dadurch anders als geplant. Auch Mila gerät in den Sog aus Vaterlandstreue, Ausländerfeindlichkeit und Kriegsbegeisterung. Denn das junge Mädchen hatte einen französischen Vater. Dieser ist zwar schon vor langer Zeit gestorben, doch der französische Nachname wird für Mila und ihre Mutter zunehmend zur Last.

Da einige Jungen aus der Unterprima gemeinsam mit Mila einem Künstlerclub angehören, reist Mila den Sommerfrischlern hinterher und bezieht bei Bekannten Quartier. Sie hofft, dass ihr Freund Fritz sich in der ungezwungenen Sommeratmosphäre eher dazu durchringen kann, über seine Gefühle zu sprechen. Denn Mila und er gelten als Paar. Auf der Bahnfahrt lernt Mila eine außergewöhnliche junge Dame aus vermögendem Hause kennen. Diese hat für die Vorkriegszeit recht gewagte Gedanken und scheint sich nicht zu scheuen, diese auch auszusprechen. Mila ahnt nicht, wie sehr sich diese Begegnung auf ihre Zukunft auswirken wird.....

Jürgen Seidels Schreibstil ist perfekt auf das damalige Zeitgeschehen abgestimmt. Dadurch kann man problemlos in die Vergangenheit eintauchen und sich die beschriebenen Szenen lebhaft vorstellen. Der drohende Kriegsausbruch ist dabei spürbar und schwebt regelrecht zwischen den Zeilen. Man kann förmlich spüren, wie die Luft brodelt und die Menschen zwischen Begeisterung und Angst hin- und herpendeln lässt. Wobei Euphorie und Vaterlandstreue bei den jungen Männern im Vordergrund stehen. Sie scheinen den Beginn des Krieges kaum erwarten zu können - nicht ahnend, welche schrecklichen Momente er für sie bereithalten wird.

In diese aufgeladene Atmosphäre ist die Geschichte von Mila, Fritz und ihren Freunden eingebettet. Mit den Augen der Gegenwart betrachtet, werden die Ereignisse, die die Freunde in dieser Zeit durchleben, das ein oder andere Mal unwirklich und nicht besonders glaubhaft wirken. Denn zu abnorm und verwunderlich erscheinen die Handlungen und Gedanken der Protagonisten zu sein. Mila gerät ins Zentrum einer Intrige, aus der sie sich nicht aus eigener Kraft befreien kann. Lange bleiben Drahtzieher und Motiv im Dunkeln, sodass man gespannt auf die Auflösung wartet. Doch auch für Fritz hält das Schicksal einiges bereit. Denn er muss sich seinem Gefühlschaos stellen und hofft im Krieg von seinem Leiden geheilt zu werden. Die Protagonisten machen im Verlauf der Handlung einige Veränderungen durch. Leider sind diese nicht immer positiv, sodass man bereits aufgebaute Sympathien mit fortschreitender Handlung nochmals überdenkt.

Dieser Roman wird als Jugendbuch für Leser ab 12 Jahren geführt. Ob man in diesem Alter bereits die Details und Feinheiten der Erzählung wahrnehmen und interpretieren kann, wage ich allerdings zu bezweifeln. Denn mir ist das selbst als erwachsene Leserin nicht immer leichtgefallen.