Rezension

Fulminant!

Der Teezauberer - Ewald Arenz

Der Teezauberer
von Ewald Arenz

Mein Fazit: Ich klappte diesen historischen Roman bedächtig zu und spüre immer noch den Nachhall der Wellen, die dieser furiose, fulminante Roman verursachte. Doch wovon handelt diese Geschichte nun wirklich?: Ist „Der Teezauberer“ ein Buch über die Liebe? Ein Roman über die Sehnsucht? Ein Werk, das den Sinn des Lebens behandelt? Eine Geschichte über die ungeträumten und geträumten Träume der Menschen? Ein Buch über Leidenschaften? Über Affären und Lügen?

Die Dunkelheit löste ein wenig die Zunge. „Wovon träumst du?“

„Wovon träume ich..?“ wiederholte Jacob sinnierend die Frage. „Wovon? Ich habe keine Ahnung. Von der Sehnsucht. Von Liebe vielleicht.“

Die Luft wurde kühl.

„Liebe“, sagte Marietta. Sie schwiegen eine Weile. „Liebst du mich noch?“ fragte sie schließlich.

Jakob wandte sich ihr zu. „Ja“, sagte er sehr ernst, „wenn ich dich nicht mehr liebte, wäre ich lange fort. Ich liebe dich.“

Als sie einschliefen, ineinandergegossen, dachte Marietta: Und trotzdem träumst du.

Und Jakob: Und trotzdem träume ich.“

S. 55

Inhalt:

Jakob betreibt einen erfolgreichen Teeladen. Gemeinsam mit seiner Frau Marietta und seiner kleinen Tochter führt er ein recht beschauliches Leben. Wenn da nicht diese ungestillte und undefinierbare Sehnsucht in ihm brodeln würde. Verloren in den Gerüchen und im Geschmack des Tees, kombiniert er diese aromatische Welt mit den Bildern aus seinen Lieblingsbüchern und begibt sich auf eine Suche; wodurch er sich stetig von seiner Familie und seinen Freunden entfernt.

Denn seine Worte üben einen nie gekannten Einfluss auf die Ordnung der Dinge aus und so muss Jakob am Ende erkennen, dass es nicht auf alles eine Antwort geben kann und nicht für jede Reise ein Ziel.

Meine Meinung:

Nichts hätte mich auf die vollkommene Schönheit dieses Romans vorbereiten können, die mich dazu einlud jedes Wort, jeden Satz und jedes Satzzeichen zu genießen. Denn in manche Geschichten tritt man hinein, taucht hinab und geht verändert aus ihnen hervor, ohne zu erkennen, was genau anders ist.

„Der Teezauberer“ ist ein Buch zum langsamen Verkosten. Zum Versinken, zum sich darin Auflösen und niemals wiederkehren wollen.

Langsam entfaltete sich die Geschichte eines Individuums, der während der Suche nach dem Sinn seines Daseins eine ganze Welt entdeckt. Nur sich selbst, sich selbst kann er darin nicht finden;

der versunken in magischen Augenblicken dieses drängende Sehnen fühlt, dass er nicht zu befriedigen in der Lage ist.

„Jakob“,sagte er abfällig zu sich selbst, „du bist satt und hättest gerne Hunger. Armer Jakob“

S.18

In „Der Teezauberer“ begegnete mir eine feine, grazile, furchtbar zerbrechliche Geschichte, die mich mit ihrer Schönheit derart blendete, dass ich mich Ewald Arenzs magischen Worten nicht zu entziehen vermochte.

Es ist erstaunlich wie unterschiedlich Bücher sein können und wie sie in ihrer Intention eine Botschaft an die Menschen zu vermitteln, in dieser Vorgehensweise extrem voneinander abweichen.

„Deine Liebe“, sagte Marietta an diesem Morgen, „steht in den Büchern.“ Es war ein seltsamer Kater, den sie die hatte: Welcher Kater bleibt nach einem Luftrausch? Einem Rausch von Wörtern und von Zauberei? Nüchtern wiederholte sie: „Deine Liebe steht in den Büchern.“

Jakob wehrte sich. Er liebte Marietta. Als er das sagte, bewegte sich die Luft ein wenig.

S. 44

Manchen Werken kann man mit Worten nicht gerecht werden, denn was man in ihnen vorfindet, umschließt eine ganze Welt, so vielfältig wie die unzähligen Teesorten dieser Erde es sein müssen. So bekam auch ich während des Lesens von „Der Teezauberer“ ein dumpfes Gefühl in der Brust, das sich zu einer innerlich ausbreitenden Hitze entwickelte, weil die Geschichte so unerträglich vollkommen war.

Dieses Werk versinnbildlicht vieles für mich. Eines davon ist eine von Tee und Gefühlen begleitete Reise in die Seele der Menschheit.

So sucht Jakob nach Veränderungen. Der, der eigentlich schon alles hat. Am Ende ist er derjenige, der alles ausnahmslos verändert hat, ausgenommen sich selbst; er ist er selbst geblieben und bleibt von äußeren Einwirkungen unbeeinflusst.

„Deine Lippen glänzen“, sagte Jakob. „Du siehst schön aus.“

S. 28

Den erfolgreichen Besitzer eines Teeladens, glücklicher Familienvater einer Tochter verlangt es nicht nach Reichtum oder Ruhm. Er sucht etwas unbestimmtes, etwas, das ihn umtreibt, bis seine Reise, ob in Träumen oder der Wirklichkeit, ihn zu verschlingen droht.

Als sie viel später eingeschlafen waren, wachte er noch einmal auf , weil ihn ein Hunger, wie er ihn noch nie gefühlt hatte, mit Gewalt aus dem Schlaff riß. Jakob stand auf. In ihm wütete der Hunger wie eine gefangene Katze.

S. 117

Ich begann mit dem Lesen dieses verblüffenden Werkes und irgendeinen Punkt muss ich unbemerkt überschritten haben, bei dem meine meine Aufmerksamkeit sich über bloßes Lesen in eine Leidenschaft für dieses Buch verwandelte und jetzt bin ich wie im Rausch verliebt; verliebt in dieses so kurze Buch, was mit sparsamen, sorgfältig gewählten Worten und mit seinen vielfältigen Zwischentönen und liebreizenden sprachlichen Bildern mehr zu erzählen vermag, als die dicksten Wälzer.

„Bist du verliebt, schöne Luise?“, fragte er.

„Ein bißchen“, sagte Luise, nahm halb verlegen das gläserne Teesieb in die Hand und spielte geistesabwesend damit. Manchmal – sehr selten – war sie zu sich selbst nicht ganz ehrlich. S. 13

„Der Teezauberer“ ist ein einzigartiges Kunstwerk, indem Ewald Arenz jede Note richtig setzte, die Nuancen ins passende Verhältnis zueinander setzte und einzig mit der Kraft seiner Gedanken und einem malerischen Wortgebilde, die eine Geschichte schuf, die viele Menschen lieben sollten, da sie eine pure Lebenslust und noch nie komponierte, sinnliche Musik verströmt, die ich mir nicht einmal in meinen Gedanken ausmalen könnte.

[…] zog ihn vor und küsste ihn.

In diesem Kuß versank Jakob fast ganz. Er war alles, was er sich gewünscht hatte. Ein Kuß wie aus den Kindertagen, weiß und klar. Ein reiner Kuß. Erst kalt, wie wenn man Schnee ißt, aber dann, wenn der Schnee beginnt, dein Blut in die Lippen und das Salz aus dem Blut zu ziehen, immer wärmer. Ein Aufgehen in der großen Klarheit. Ein Rausch von dünner, kalter Luft.

S. 126

Jakob ist ein Charakter voller wilder Gedanken im Kopf und gefüllt mit einer Liebe zu seinem Tee und Büchern. Ich begab mich nicht nur in Jakobs Kopf, sondern in die kulturelle und harmonische Welt des Tees, der neben seinen Aromen, Gerüchen und Geschmäckern eine eigene Magie zum Betören anwendet, über die Jakob einem Zauberer gleich unbewusst in seinem Sinne verfügen kann. Er jagt einem Traum nach, einem idealen Wunschbild, welches mich als Leserin genauso packte, fesselte und nicht mehr losließ wie Jakob.

[…] Wenn er nicht arbeitete, las er. Er las, um die Sehnsucht fernzuhalten; er las seinen Geist und seine Seele müde, um schlafen zu können. Er las wie er früher als Kind gelesen hatte, und er las alles, was er bekommen konnte. […] Wenn er las, nahm er um sich herum nichts mehr wahr, störte ihn weder das Telefon noch das unangenehm kalte Licht der Straßenlaternen. Und er las eilig, sein Lesen hatte etwas Atemloses, das nichts mit der Hingabe eines Kindes an eine Geschichte zu tun hatte, sondern eine ungewisse Furcht vermittelte, eine Furcht, eingeholt zu werden.

S. 52 und S. 54

Mein Fazit:

Ich klappte diesen historischen Roman bedächtig zu und spüre immer noch den Nachhall der Wellen, die dieser furiose, fulminante Roman verursachte.

Doch wovon handelt diese Geschichte nun wirklich?: Ist „Der Teezauberer“ ein Buch über die Liebe?

Ein Roman über die Sehnsucht?

Ein Werk, das den Sinn des Lebens behandelt?

Eine Geschichte über die ungeträumten und geträumten Träume der Menschen?

Ein Buch über Leidenschaften?

Über Affären und Lügen?

Vielleicht…! Vielleicht noch viel mehr oder gar nichts davon. Findet heraus, was Ewald Arenz mit seiner süßen Begabung niedergeschrieben hat und was seine gelebte Fantasie in euch wecken wird. Was es auch sein mag, es kann gar nicht anders, als euch zu beglücken.

Die Welt in einer Tasse Tee… […] „Vielleicht“, sagte Jakob kaum hörbar, „vielleicht.“

S. 104 und S. 107