Rezension

Ganz eigener Schreibstil und nur für Leser geeignet die sich an unbegründeter Gewalt nicht stören

London Boulevard - Ken Bruen

London Boulevard
von Ken Bruen

Bewertet mit 4 Sternen

„London Boulevard“ von Ken Bruen ist als Taschenbuch im Suhrkamp Verlag erschienen und umfasst 262 Seiten mit drei betitelten Teilen, die in meist recht kurze Kapitel unterteilt sind. Auf dem Cover befindet sich das Symbol für die Londoner Untergrundbahn, das sonst mittig stehende „Underground“ wurde durch den Buchtitel ersetzt. Ein Bezug zum Roman besteht insoweit als der Protagonist Mitchell für seine Fahrten durch London häufiger die U-Bahn benutzt. Ein langer Schatten liegt über dem Symbol, der für mich in Verbindung steht zum Schatten der Vergangenheit von Mitchell, von dem er nach seiner Haftentlassung ziemlich schnell wieder eingeholt wird. Von ihm wird London als Ganzes als Boulevard, also als Prachtstraße angesehen, daher der Buchtitel.

Nachdem er drei Jahre wegen schwerer Körperverletzung im Gefängnis gesessen hat, wird Mitchell entlassen und von seinem angeblichen Freund Billy Norten abgeholt. Mitchell kann sich an seine eigentliche Tat nicht mehr erinnern und im Laufe der Erzählung erfährt er schließlich, wer dafür verantwortlich ist. Doch auch so war er in der Vergangenheit zur Gewaltanwendung bereit. Unter Alkoholwirkung steigt Mitchell beim ersten Halt auf der Abholfahrt aus und bricht einem Fensterputzer ohne lange Vorankündigung den Arm. Billy, der als Geldeintreiber arbeitet, hat für ihn eine Wohnung besorgt und bietet ihm an, mit ihm gemeinsam zu arbeiten. Auf einer Party aus Anlass zu seiner Entlassung begegnet er einer Journalistin, die ihm einen legalen Job bei der alternden Schauspielerin Lillian Palmer besorgt. Lillian entwickelt ein persönliches Interesse an ihm. Durch einen Gelegenheitsjob  an der Seite von Billy beim Geldeintreiben gerät er in das Blickfeld von dessen Auftraggeber und das wird ihm zum Problem, denn dieser möchte, dass Mitchell Aufträge für ihn ausführt. Dafür geht er auch über Leichen. 

Mit simplen Worten in kurzen Sätzen und sehr dialoglastig gelingt es Ken Bruen eine einzigartige Form eines Kriminalromans zu schaffen. Es ist kein Krimi nach dem Muster Tat – Ermittlung. Die Erzählung ist in einem stets zur Gewalt bereiten Umfeld angesiedelt. Das ständige aggressive Verhalten  wirkt auf mich abstoßend. Allerdings lernt der Leser auch Mitchells fürsorgliche Seite kennen. Für seine besten Freunde und seine Schwester tut er alles zu deren Schutz, aber gegen seinen größten Feind scheint er keine Waffe zu besitzen. Wie es häufig der Fall ist, erfährt er, dass Gewalt zu Gegengewalt führt. Schnell merkt der Leser, dass es hier vor allem um Machtspiele geht. Vor allem mit dem Charakter von Mitchell schafft der Autor eine Person, der man zwiespältig gegenüber steht. Einem solchen Menschen, dessen Sinn ständig nach Alkohol steht und der hauptsächlich unter dessen Einfluss seine Aggressionen auslebt, traut man kaum zu, dass er tiefsinnige Musik hört und Dichter wie Rilke und Camus liest und zitieren kann. Sehr viel Wert legt er auch darauf, stets für jede Gelegenheit richtig gekleidet zu sein. Das Besondere an diesem Roman liegt in der Sprache. Trotz Einfachheit stechen häufige Enumerationen aus dem Text hervor, in dem sie ohne Komma, untereinander aufgeführt werden.  Mit wenigen Worten versteht der Autor stets ganze Szenen treffend zu beschreiben. Dieser Krimi eignet sich nur für Leser, die einen ganz eigenen Krimistil erlesen möchten und vor Gewalt im Roman nicht zurückschrecken.