Rezension

Ganz nett, aber nicht viel Neues

Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus - Tom König

Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus
von Tom König

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es handelt sich hier quasi um das Buch zu Tom Hillenbrands wöchentlicher Kolumne auf SPIEGEL ONLINE. Hierfür hat sich Hillenbrand sein Alter Ego Tom König zugelegt. Tom König ist DER Kunde, der alles erleben und ausbaden muss, was die Servicewüste Deutschland so verbockt.

Bei Lektüre des Buches bin ich noch davon ausgegangen, dass dem Autor all diese Dinge tatsächlich so passiert sind. Ehrlich gesagt – es hätte mich gar nicht so sehr verwundert, denn so schlecht, wie der Service in Deutschland teilweise ist, erlebt man solche Sachen doch wirklich ständig. Ich glaube, viele von uns könnten ebenfalls ein Büchlein mit unseren Erlebnissen füllen!

Im Nachwort allerdings klärt der Autor auf, dass es sich bei Tom König um eine Symbiose aus Autor und vielen anderen Kunden handelt. Die Geschichten basieren nur teilweise auf den Erlebnissen des Autors, teilweise auf denen seiner Leser.

Zuerst einmal zum Inhalt:
Das Buch teilt sich in 10 Kapitel ein:
- Zeitverschwendung
- Servicekräfte
- Antiservice
- Unterwegs
- Seltsame Regeln
- Essen
- Kommunikationsdesaster
- Mein Service-Albtraum
- Shopping
- Handbuch für Serviceguerillas

Die Einteilung in solche Oberkapitel ist prinzipiell eine gute Idee, doch vieles ist nicht wirklich konkret zuteilbar oder würde in mehrere Kategorien passen. Die einzelnen Unterkapitel, also „Geschichtchen“, sind jeweils nur so 2-4 Seiten lang, Kolumnenlänge eben. So kann man immer schön häppchenweise lesen, was ich persönlich angenehm finde.
Die Comics finde ich ganz nett. Allerdings wirken sie optisch total verloren auf den halbleeren Seiten. Dann doch besser ein ganzseitiger Comic oder vom Layout her in den Text integriert.

Die Sprache des Autors finde ich angenehm. Er macht lustige Vergleiche und hat eine flüssige, witzige Art zu schreiben. Witzig, aber nicht zu gewollt, ein gesundes Mittelmaß. Da „flutscht“ es richtig beim Lesen.

Manche Geschichten fand ich sehr gelungen, z. B. das Erlebnis im Baumarkt. Andere hingegen fand ich etwas langweilig. Unnötig fand ich z. B. das Kapitel über die Teesorten. Ist doch egal, wenn es viele verschiedene Sorten Tee mit komischen Namen gibt. Ich trinke keinen Tee, vielleicht mochte ich das Kapitel deshalb nicht, aber ich denke, das hat doch nichts mit schlechtem Service zu tun, sondern nur mit einer persönlichen Aversion des Autors gegen solche „Modetees“. Auch die Sache mit den Inhaltsstoffen bei Essen... nun ja, den schlechten Service kann man noch über das Argument retten, dass die Firmen auch bei Anfragen keine gescheite Antwort liefern. Aber prinzipiell ist man mittlerweile doch in punkto künstlicher Inhaltsstoffe so weit aufgeklärt, dass man vieles schon weiß. Und wer sich nicht selbst informiert, dem ist es entweder egal oder der ist selbst schuld.
Mit 1&1 hatte ich selbst schon Probleme, deshalb kann ich die Story nachvollziehen. Aber alles in Allem zieht sich das mit 1&1 durch das Buch wie Kaugummi, so dass es irgendwann nervt.

Die Tipps im letzten Kapitel sind recht interessant. Ich wäre z. B. nie auf die Idee gekommen, eine Beschwerdemail auch in Kopie an irgendwelche Presseleute und Vorstände zu schicken. Das hätte ich mich auch nicht getraut, aber wenn die das eh nicht lesen und es andererseits eine abschreckende Wirkung hat, ist das ja wirklich eine gute Idee. Zwar kenne ich Kundenservice über Facebook und Twitter, aber hätte selbst nicht gedacht, dass es besser ist, sich über diese Medien zu beschweren als direkt per Brief oder Telefon. Aber im Endeffekt stimmt das schon, dass eine Beschwerde in der Öffentlichkeit wirksamer ist.

Alles in Allem eine schnelle, unterhaltsame Lektüre. Man lernt nicht viel Neues und wird vermutlich einfach nur in seiner Meinung über die Servicewüste Deutschland bestätigt, aber dabei gut unterhalten.

P. S.: Ich kannte die Kolumne von Tom König vorher nicht, deshalb kann ich nicht beurteilen, ob dieses Buch im Endeffekt nur eine Sammlung der bisher erschienenen Kolumnen ist. In dem Fall könnten sich die regelmäßigen Leser bei SPIEGEL ONLINE wohl die 8,99 € sparen.

P.P.S.: Wie kann es sein, dass man sich auf über 200 Seiten über die Missstände im deutschen Servicebereich auslässt, aber mit keinem Wort das Servicehöllenlabyrinth schlechthin, IKEA, erwähnt!?