Rezension

Ganz nette Unterhaltung, aber ohne Emotionen und Höhepunkte

Das schwarze Loch in mir - Anders Johansen

Das schwarze Loch in mir
von Anders Johansen

Bewertet mit 3 Sternen

Zum Inhalt

David lebt mit seinen Eltern und seinem großen Bruder Peter in dem beschaulichen Dorf Fjeldvig auf der Insel Tango. Durch das Storfjeld-Bergmassiv sind die Bewohner vom Rest des Landes getrennt, ein Besuch auf dem Festland ist mit einem mehrstündigen Marsch über den Berg verbunden. Schiffe oder Hubschrauber können Fjeldvig aufgrund der schwierigen Witterungsverhältnisse oft tagelang nicht erreichen.

In diesem Idyll ist die Welt noch in Ordnung. Davids Vater betreibt den kleinen Dorfladen, die Kinder von Fjeldvig gehen alle in die kleine Dorfschule, wo sie von Lehrer Joensen in einer Klasse unterrichtet werden. Sein Lieblingsschüler ist David, der bei den anderen Kindern und Dorfbewohnern jedoch nicht immer auf Freundlichkeit stößt. Denn David ist anders. Er ist begabt im Umgang mit Zahlen und Buchstaben und ein wandelndes Lexikon. Aber er versteht nicht, was Ironie ist, und er mag es nicht, berührt zu werden. Nur sein Bruder Peter hat einen besonderen Zugang zu ihm, ist sein Freund und Beschützer.

Als die Regierung plant, einen Tunnel durch das Storfjeld zu sprengen und Fjeldvig mit dem Rest des Landes zu verbinden, ändert sich für die Dorfgemeinde und Davids Familie alles.

Meine Meinung

"Das schwarze Loch in mir" ist so ein Buch, das mich eher emotionslos zurücklässt. Kernthema ist der Bau des Tunnels und die Veränderungen, die in dem (fiktiven) Dorf Fjeldvig vor sich gehen. Anfangs trifft man eine harmonische Dorfgemeinde, die mich vom Lebensstandard an ein Amish-Dorf erinnert, wenn man mal moderne Dinge wie Telefone oder die zwei Computer in der Schule ausblendet. Doch man merkt schnell, dass hier viele Reibereien bestehen. Der Streit um die allen Dorfbewohnern gehörenden Schafe, das Alkoholproblem mancher Einwohner, die fehlende Toleranz gegenüber Davids Autismus. Als sich dann noch durch den Tunnelbau das Dorf mit der modernen Welt konfrontiert sieht, läuft einiges aus dem Ruder.

Die Geschichte wird aus Davids Sicht geschildert. Ich denke, dass es dem Autor durchaus gelungen ist, die Sicht eines Autisten realistisch wiederzugeben. David hat Probleme mit Ironie und Metaphern, er sieht Dinge natürlich anders als "normale" Menschen und ist oft mit einfachen Situationen überfordert. Obwohl er bereits 14 Jahre alt ist, hat er noch ein kindliches, unschuldiges Gemüt. Um sich selbst zu beruhigen, zählt er gerne Wetterrekorde und Vogelnamen auf, was zuweilen für die Anderen - und auch für den Leser - etwas anstrengend sein kann.

Die diesem Buch zugrunde liegende Idee ist eigentlich gut. Aber mich hat die Geschichte ehrlich gesagt ziemlich gelangweilt. Sie plätscherte so vor sich hin. Zu keiner Zeit konnte ich für die Figuren in der Geschichte irgendwelche Gefühle entwickeln. David tat mir leid, da er von allen gehänselt wird und keine Freunde hat. Dennoch konnte ich keine Bindung zu ihm aufbauen. Den Vater empfand ich als sehr anstrengende Person. Er ist über alle Maßen bigott und könnte mit seinen Ansichten genauso gut ins Mittelalter passen. Ständig zitiert er Bibelverse. Von seinem Gehabe her könnte er einer dieser schrägen Wanderprediger sein. Davids Mutter ist sehr liebevoll, und Peter ist wirklich ein toller großer Bruder.

Die anderen Dorfbewohner fand ich sehr unangenehm. Es gibt ein paar neutrale Leute, die ganz nett sind und zumindest nicht negativ auffallen. Aber der Rest ist einfach unsympathisch, und es ist frustrierend, dass fast niemand im Dorf mit David umgehen kann und auch nur ansatzweise versucht, ihn zu akzeptieren. Stattdessen wird er als Trottel beschimpft und ausgelacht. Wirklich positiv blieben mir nur der Lehrer und der Pastor im Gedächtnis.

Durch die vielen Landschaftsbeschreibungen kann man sich Fjeldvig ganz gut vorstellen. Ich persönlich war noch nie auf einer solchen Insel und fand die vielen Beschreibungen irgendwann ermüdend, ich bin aber generell kein Freund davon. Ich habe vermutlich einfach nicht genug für die Schönheit der mir völlig fremden Färöer-Inseln übrig und empfand vieles eher negativ: Das schlimme Wetter, die Abgeschiedenheit, der Rückschritt auf Fjeldvig nicht nur technisch, sondern auch in den Köpfen der Einwohner.

Die Altersempfehlung liegt bei 12 Jahren, aber ich zweifle etwas daran, dass das Buch junge Leser begeistert. Auch wenn es aus Sicht eines 14jährigen ist, fällt nicht nur die Identifizierung mit dem Protagonisten schwer. Auch die Handlung ist meiner Meinung nach nichts, was Teenager begeistert und fesselt. Der im Klappentext versprochene Höhepunkt in Form eines Unfalls kommt erst am Ende der Geschichte, so dass lange Zeit einfach keine Spannung aufkam und die Geschichte so vor sich hindümpelte.

"Das schwarze Loch in mir" ist ganz nette Unterhaltung, und wer einen Bezug zu den Färöer-Inseln hat, hat bestimmt seine Freude an dem Handlungsort. Ansonsten stehe ich dem Buch recht emotionslos gegenüber.