Rezension

Gefühlsachterbahn

Kaiserschnitt - wie Narben an Bauch und Seele heilen können - Theresia Maria de Jong, Gabriele Kemmler

Kaiserschnitt - wie Narben an Bauch und Seele heilen können
von Theresia Maria de Jong Gabriele Kemmler

Bewertet mit 5 Sternen

Gabriele Kemmler, geb. 1953, Diplompädagogin, ist erfahrene Geburtsvorbereiterin, Ausbilderin und Familienbegleiterin bei der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung (GfG); mitverantwortlich für das Frauengesundheitszentrum, Frankfurt; hatte selbst einen geplanten Kaiserschnitt und leitet heute Gesprächskreise zum Thema. Sie lebt in Frankfurt. Theresia Maria de Jong, geb. 1959, ist bekannte Journalistin und Sachbuchautorin im Bereich Schwangerschaft, Geburt und Erziehung. Sie lebt in der Nähe von Oldenburg.

Geplant oder ungeplant: Hierzulande kommen inzwischen nahezu 22% aller Babys per Kaiserschnitt auf die Welt – und dieser Trend nimmt zu. Doch welche Folgen hat der »schnelle Weg ins Leben«? Die Erfahrung zeigt: Ein Kaiserschnitt ist mehr als nur ein medizinischer Routineeingriff, denn er kann von vielen Müttern emotional nicht ausreichend verarbeitet werden – er hinterlässt Narben an Bauch und Seele. Dieser Ratgeber unterstützt Frauen darin, sich mit ihren Ängsten und Gefühlen auseinander zu setzen und zeigt, wie Mutter (und Kind) das Erlebte annehmen und verarbeiten können. Die genannten 22% scheinen mir noch sehr niedrig angesetzt. Habe ich doch in meinem Freundeskreis viele Mütter, die per Kaiserschnitt entbunden haben (fast 50%) und auch an dem Abend, an dem ich entbunden habe, lag ich als 6. Frau "unter'm Messer". Ein erschreckender Trend!

Das Buch ist in folgende Kapitel unterteilt: Diagnose Kaiserschnitt - Frauen berichten, Sind Ärzte heute zu schnell mit dem Messer zur Hand?, Wann muss ein Kaiserschnitt gemacht werden?, Historische Entwicklung der Kaiserschnittindikation, Geburt und Gebären - Welche Faktoren spielen eine Rolle?, Wunschkaiserschnitt - Das Geschäft mit der Angst, Was bedeutet der Kaiserschnitt für das Kind?, Die Auseinandersetzung mit der Kaiserschnitterfahrung, Einmal Kaiserschnitt - Immer Kaiserschnitt?, Hilfen für Kaiserschnittmütter, Die Narbe als Erinnerung - Schlussbemerkung

Ich habe dieses Buch bereits vor einigen Wochen gelesen, konnte meine Gefühle bisher jedoch (noch) nicht in Worte fassen. Dies wird wohl eine recht persönliche Rezension, da ich dieses Buch aus eigener Betroffenheit gelesen habe.

Ich hatte vor mittlerweile ganzen 2,5 Jahren einen vollkommen ungeplanten, und, wie mir das Buch leider abermals bestätigte, absolut unnötigen "Not"-Kaiserschnitt, bei dem mein Sohn und ich fast gestorben sind, da die Klinik die komplette Geburt verpfuscht hat. Die Nachwirkungen dieser Erlebnisse spüren wir bis heute und ich befinde mich seit einem Jahr sogar in Therapie, weil ich das Erlebte einfach nicht verarbeiten kann. Mein Sohn hatte durch die Geburt ein KISS-Syndrom, welches wir langwierig über Monate therapieren mussten, er lernte u.a. auch hierdurch erst mit 17 Monaten laufen und war die ersten 1,5 Jahre ein sogenanntes Schreibaby, das bis zu 10 Stunden am Tag nur schrie und auch von Anfang an nie mehr als 30-40min am Stück schlafen konnte. Durch den Kaiserschnitt und die fehlende Unterstützung im Anschluss konnte ich nicht stillen, auch wenn ich es viel zu lange verzweifelt versucht habe. Die Bindung zu meinem Sohn, der mir nach dieser Geburt vollkommen fremd war, entstand erst nach einigen Wochen, wenn nicht sogar Monaten, Stück für Stück. Ich konnte ihn auch erst nach 12 Stunden das erste Mal auf der Intensivstation sehen. Dies alles wäre höchstwahrscheinlich ohne einen Eingriff in den natürlichen Geburtsprozess (unnötige Geburtseinleitung, die dann schnell außer Kontrolle geriet) niemals passiert. Noch heute kann ich es nicht ertragen, wenn mir Mütter von ihrer natürlichen Geburt erzählen und/oder ihren Stillerfolgen nach einem Kaiserschnitt. Ich fühle mich hier nach wie vor als Versagerin, dass ich mich nicht gegen die Ärzte wehren konnte. Hätte ich dieses Buch im Vorhinein gelesen, wäre ich viel selbstbewusster und gestärkter gegen diese angetreten und hätte auf mein Recht über meinen Körper und mein Kind bestanden! Das Kapitel über die Ängste, die heute in den jungen Müttern geschürt werden, traf den Nagel voll auf den Kopf. Ebenso schockierte mich die Rücksichtslosigkeit, mit der heute Frauen in den Kaiserschnitt gedrängt werden ohne Bedenken, der Folgen, die solch ein Eingriff für Mutter und Kind hat. Zum Glück haben mein Sohn und ich heute eine umso engere Bindung und er ist mittlerweile kerngesund, jedoch möchte ich jede Frau vor einem WUNSCHkaiserschnitt nur warnen! Ich fühlte mich von der Erfahrung und der Einfühlsamkeit der Autorinnen so angesprochen, dass ich die Selbsthilfe-Seminare von Frau Kemmler in Frankfurt besuchen werde.