Rezension

Geht qualvoll nahe

Der Keim -

Der Keim
von Tarjei Vesaas

Bewertet mit 4 Sternen

Puh, bin ich froh, dieses Buch durchstanden zu haben. Es ist klein, aber nahezu unerträglich.

Wir sind auf einer Insel, wo die Welt noch in Ordnung ist, bis ein Fremder fremde Probleme einschleppt und Übles passiert. Da haben wir den Keim.

Ja, das ist eine recht mutwillige Botschaft, aber da dieses Buch von Tarjei Vesaas ist, lesen wir es natürlich trotzdem. Und es wird natürlich auch den Erwartungen gerecht und zieht einen schnell ganz tief ins Geschehen. Tarjei Vesaas lässt einen in die Köpfe seiner Figuren schauen, man ist ganz nah dran und fühlt mit.

Hier fühlt man mit, wie eine Situation eskaliert, wie eine Massenhysterie entsteht und wie schuldig man sich fühlt, wenn man hinterher zur Besinnung kommt. Dabei ist die Qualität des Buches, dass es schafft, die Gefühlsebene so direkt anzusprechen, ein Vergnügen ist das allerdings nicht. Selten habe ich ein gutes Buch so ungern gelesen. Zum Lesen des letzten Drittels musste ich mich zwingen, die Lektüre ist leidvoll und geht nahe. Dabei kommt einem das merkwürdig versöhnliche Ende schon fast unpassend vor.

Das Buch wurde 1940 geschrieben, ein Aspekt, der nochmal ein ganz anderes Licht auf das Geschehen wirft. Interessanterweise habe ich zuerst an Querdenker, Fakenews, die zur Wahrheit werden und unheilvolle Gruppendynamit begrenzter Personenkreise gedacht. Das Thema ist traurig aktuell.

Also, dieses Buch ist gut, wichtig und wirklich qualvoll. Ich bin mir nicht sicher, ob ich so etwas empfehlen möchte.