Rezension

Geht unter die Haut!

We Are All Completely Beside Ourselves - Karen Joy Fowler

We Are All Completely Beside Ourselves
von Karen Joy Fowler

Bewertet mit 5 Sternen

Diesmal bin ich der Shortlist des Man Booker-Prize 2014 erlegen und obwohl ich den Klappentext gelesen habe, war ich im Laufe der Lektüre ziemlich geschockt. Denn ich bin wie viele, halte mir Augen und Ohren zu und will mit dem Leid dieser Erde nicht konfrontiert werden. Das Buch wieder aus der Hand legen, konnte ich jedoch nicht, auf keinen Fall, komme, was da wolle, von der ersten Seite an hat mich Karen Joy Fowler am Haken, und es beginnt ja harmlos, was ein wundervoller Kunstgriff ist.

Karen Joy Fowler hat einiges Autobiographische in ihren Roman einfliessen lassen, das macht es wohl so lebendig. Denn die Schauplätze, von denen aus Rosemary Cooke, Protagonistin und Erzählerin agiert, sind teilweise identisch mit denen, an denen Karen Fowler lebte. Sie wuchs in Bloomington, Indiana, auf wie Rosemary, wo sie eine wilde und freie Jugend erlebte, wie Rosemary. Dann zog sie mit ihren Eltern nach Palo Alto/Kalifornien und erlebte eine Art von Entwurzelung, Isolation und Einsammkeit inmitten einer wunderschönen Umgebung,  fast wie Rosemary, und in UC/Davis unterrichtete sie (der Beruf Rosemarys), bevor sie sich gänzlich der Schreiberei widmete.

Ihr Vater war Verhaltensforscher auf dem Fachgebiet der Tierpsychologie ... wie Rosemarys. Hier enden die Ähnlichkeiten (hoffentlich), obwohl das Lab ihres Vaters sicherlich Inspirationsquelle war.

Was Folwer in einer packenden, ansprechenden, witzigen und sarkastischen Ummantelung präsentiert, ist Horror und Grausamkeit pur, ein Verhalten, das in Wissenschaft und Wirtschaft völlig normal, zwar bekannt ist, aber selten bewusst registriert wird, nämlich die legitimierte Quälerei der Kreatur Tier. Dem Menschen zunutze? Vor allem seinem Profit zu nutze.

Diese Lektüre ist einerseits eine emotionale Herausforderung, obwohl Fowler eigentlich immer noch sehr sanft mit dem Leser umgeht. Und die Autorin bewegt sich literarisch, recherchemäßig und was Allgemeinbildung angeht auf hohem Niveau. Schliesslich belegt die Studentin Rosemary vielerlei Fächer und ich musste schon mal nachschlagen, was dies und jenes überhaupt ist, z.B. Solipsismus oder Diegesis oder was man unter dem Uncanny-Valley-Effekt versteht oder wer Mme Defarge gewesen ist. Und anderseits, dem Esprit der Autorin geschuldet, ist (auch deshalb) die Lektüre Spaß und Leseglück.

Und um was geht es genau? Es geht um Rosemary und um Fern, ein Chimpansenmädchen, kurz um die Cooke-Family, es ist eigentlich „nur“ eine Familiengeschichte. Und es ist zugleich eine hinreißende, witzig und intelligent erzählte Story mit einem phantastischen Aufbau und durch und durch authentischen Personen, die mich zum Lachen und zum Weinen gleichzeitig brachte.

Zwischendurch, meist Nebenher, wird lakonisch Lebensphilosophisches serviert, Sätze, über deren Wahrheitsgehalt man sinnieren kann.

 „Over the years I’ve come to feel that the way people respond to us has less to do with what we’ve done and more to do with who they are.”

oder

„I thought there were moments to complain about your parents and moments to bei grateful, and it was a shame to mix those moments up. “

Fazit: Glücksgriff und emotional herausforderndes Must-Read!

Verlag: Plume / Penguin Group
Kategorie: Literatur