Rezension

Gekappte Fäden

Queen of Fire - Anthony Ryan

Queen of Fire
von Anthony Ryan

Bewertet mit 3 Sternen

Einen sicheren Job zu kündigen, der ein verlässliches Einkommen garantiert, um hauptberuflich zu schreiben, ist keine leichte Entscheidung. Für Anthony Ryan scheint es trotz dessen eine Erleichterung gewesen zu sein, seine Beamtenstelle nach „Tower Lord“ aufzugeben. Die Erfahrung, täglich während des Pendelns 2.000 Worte produzieren zu müssen, wollte er keinesfalls wiederholen und berichtet, dass er seitdem weniger müde sei. Vielleicht war die Veränderung für ihn auch deshalb befreiend, weil er seine Identität hinter seinem Pseudonym nicht mehr rigoros schützen musste. Als Beamter durfte ja nicht mal ein Foto von ihm in seinen Büchern abgedruckt werden. Mit dem Finale „Queen of Fire“ konnte er wahrscheinlich erstmals die Anerkennung beanspruchen, die seine „Raven’s Shadow“-Trilogie hevorrief. Das muss ein tolles Gefühl gewesen sein.

Tausende fielen dem Angriff des Volarianischen Kaiserreichs zum Opfer. Unter großen Verlusten wurden die feindlichen Truppen zurückgeschlagen. In den Vereinigten Königslanden herrscht wieder Friede. Dennoch ist Königin Lyrna besessen von dem Gedanken, bald erneut volarianische Segel am Horizont zu entdecken, kommt sie ihnen nicht zuvor. Entschlossen, die Bedrohung, die auch sie beinahe das Leben kostete, ein für alle Mal auszulöschen, schließt sie nie dagewesene Allianzen mit allen Völkern der Königslande und entsendet ihre Armee ins unbekannte Feindesland. Doch das Volarianische Reich ist trotz seiner Macht kaum mehr als eine Marionette. Seit Jahrhunderten intrigiert der finstere Verbündete im Verborgenen, um die Welt nach seinen Wünschen neu zu formen. Mit herkömmlichen Mitteln kann er nicht getötet werden; wer ihn besiegen will, muss zu seinen Ursprüngen zurückkehren. Der einzige, dem dies gelingen könnte, ist Vaelin Al Sorna, dessen Blutlied seit ihrer letzten Konfrontation verstummte. Blind und taub kann Vaelin lediglich erahnen, was sein unmenschlicher Gegner plant. Nur eines ist gewiss: die Zeit versteckter Ränkespiele ist vorbei.

Ich kann mir nicht helfen, für mich fühlte sich „Queen of Fire“ nicht wie das Finale einer Trilogie an. Nicht, dass es kein Abschluss wäre, das ist es durchaus und die Geschichte bietet zweifellos zahlreiche heroische Szenen, die typisch für das Ende eines High Fantasy – Zyklus sind. Aber irgendwie fehlte mir die Note von Endgültigkeit. Ich denke, das hatte zwei Gründe. Ich vermisste in der Handlung Abwechslung und dadurch die inhaltliche Abrundung der die Trilogie begleitenden Geschichte. Anthony Ryan löst wirklich alles mit der Inszenierung von Schlachten. Nun will ich nicht jammern, weil ich Schlachtbeschreibungen liebe. Ihr wisst das. Alle wissen das. Dennoch finde sogar ich es ein bisschen uninspiriert, wenn restlos alle Konflikte in physischen Konfrontationen gipfeln. Ich gebe es kleinlaut zu: es war mir zu viel. Die Perspektivcharaktere, die mit einer kleinen Ausnahme dieselben sind, die ich bereits aus „Tower Lord“ kannte, haben die Kriegstrommeln ausgepackt und kämpfen sich ausnahmslos von einem Ort zum anderen. Sie alle landen früher oder später im Volarianischen Kaiserreich. Dort tun sie erneut nichts anderes, als zu kämpfen. Durch dieses gemeinsame Ziel hatte ich das Gefühl, wieder und wieder denselben Ablauf in geringer Variation zu erleben. Ihr versteht sicher, dass selbst ich etwas mehr Facettenreichtum begrüße, den Lyrnas Rache-Eroberungsfeldzug nicht abdeckt, weil es dank innenpolitischen Unruhen im Volarianischen Reich ausreicht, militärische Stärke zu demonstrieren. Sie muss ihren Feind quasi nur pflücken wie eine überreife Frucht, wodurch Anthony Ryan es auch versäumt, sich mit Lyrnas spannendem finsteren Potential auseinanderzusetzen. Ich vermute, er wollte sich in „Queen of Fire“ auf den Verbündeten als zentralen Antagonisten konzentrieren und nahm das Reich deshalb kurzerhand vom Spielfeld. Mir erschien dieser Zug sonderbar, weil Ryan dafür meiner Meinung nach viel zu spät offenbart, wer der Verbündete eigentlich ist und was er mit der Welt vorhat. Seine Pläne betreffen die Begabten, also Menschen mit magischem Talent wie Vaelin, was ich tatsächlich erst kapierte, als Ryan es mir sagte. Ich wäre selbst nie darauf gekommen, obwohl ich die beiden Vorgängerbände gelesen habe. Für mich bedeutet das, dass er die Pointe seiner Trilogie ungenügend vorbereitete, was ich als direkte Folge seines vagen Konzepts der Begabten interpretiere. Ich habe bis zum Schluss nicht richtig durchschaut, wie das mit den magischen Kräften funktioniert und fand die Erklärung der Absichten des Verbündeten deshalb äußerst abstrakt. Darüber hinaus hielt er sich so lange im Hintergrund verborgen, dass es Ryan in „Queen of Fire“ nicht mehr gelingt, seine Relevanz als ultimativer Bösewicht überzeugend zu etablieren. Seine Untergebene, die berüchtigte Hexe aus „Tower Lord“, stiehlt ihm mühelos die Show.

Mir vermittelte Anthony Ryan in „Queen of Fire“ nicht den Eindruck, dass die Geschichte seiner Figuren gänzlich abgeschlossen ist. Eher hatte ich das Gefühl, dass „Raven’s Shadow“ lediglich ein Kapitel ist, dessen Fäden Ryan jeder Zeit wieder aufnehmen kann. Diese Empfindung ist nicht völlig unberechtigt, denn er hat 2019 tatsächlich begonnen, eine weitere Trilogie im selben Universum zu veröffentlichen, „Raven’s Blade“, die erneut Vaelin Al Sorna in den Mittelpunkt stellt. Ich habe prinzipiell nichts gegen eine Fortsetzung, aber mir wäre es lieber gewesen, hätte er sich etwas mehr Mühe gegeben, die losen Enden der ersten Trilogie mit „Queen of Fire“ ordentlich abzurunden, statt sie mit Erklärungen, die sich meiner Ansicht nach nicht überzeugend aus der Geschichte ergeben, einfach zu kappen. Der Fokus auf Schlachten ist definitiv zu dominant, wodurch alle anderen Ebenen der Handlung und auch zahlreiche Charaktere viel zu kurz kommen. Aktuell weiß ich daher nicht, ob ich „Raven’s Blade“ eine Chance geben werde. Meine Neugier hält sich in Grenzen.