Rezension

…gelungene Auswahl an Geschichten zum Frühling und zu Frühlingsgefühlen!

Frühling für Fortgeschrittene -

Frühling für Fortgeschrittene
von

Die Sonne lockt nach einem Weilchen
die schönsten Dinge an das Licht,
zum Beispiel: Birkengrün und Veilchen,
und Reiselust und Liederzeilchen,
und manches lächelnde Gesicht.

…reimte Erich Kästner so passend über den Frühling. Er steht für Erwachen und Neubeginn, für Hoffnung und Übermut. Die Triebe regen sich – sowohl die menschlichen als auch in der Flora und Fauna – und verursachen neben den Glücksmomenten auch so manche Verwirrung. Von all dies berichten die Geschichten in dieser Anthologie.

So wirft Root Leeb in „Der Baum“ mit leichter Hand ein Szenario auf das Papier, in dem zwei einsame Seelen zueinander finden. In „Vergiss dies nie“ von Graham Swift erhalten eben diese drei Worte eine leidenschaftliche Bedeutung und erinnern Jahre später wehmütig an eine verlorene Liebe. Bei Rafik Schamis „Liebesübungen“ geht ein junger Mann in eine ungewöhnliche „Lehre“. Jorid Marlene Meya weckt in „Von Ozeanaugen und Passbildautomaten“ die Erinnerung an den ersten pubertären Schwarm.

Der Frühling kann ebenso einen Richtungswechsel, wie Susanne Neuffers ihn in „Die Mongolei“ beschreibt, symbolisieren. Da erhält ein Neubeginn plötzlich einen schalen Nachgeschmack. In „Zwei Minuten Revolution“ von Bov Bjerg verwandelt sich der Frühling in eine sterile Plastik-Deko in einer Shopping-Mall („Bitte nicht betreten!“).

Aber der Frühling steht auch für Freude: So spürte ich bei „Der Ja-Sager“ von Sylvia M. Hoffmann und „Lups“ von Manfred Kyber beinah einen Loriot-ischen Humor, der mich köstlich amüsierte. In der unterhaltsamen Geschichte „Abfall“ von Luis Fernando Verissimo sorgt der Müll zweier Single-Nachbarn dafür, dass sie nicht länger Singles bleiben.

Den beiden Herausgebern Gabriela Seifert und Stephan Koranyi ist eine kleine dafür sehr feine Auswahl gelungen, die trotz aller Empfindsamkeit geschickt dem Stolperstein zum Schmalz ausweicht. Dieser gekonnten Auswahl ist es zu verdanken, dass, trotz des manchmal wehmütigen Grundtons, ein zarter Frühlingshauch durch alle Geschichten weht und für eine optimistische Leichtigkeit sorgt.