Rezension

Gelungene Einladung zu kleinen persönlichen Zeitreisen

Einladung zum Schreiben -

Einladung zum Schreiben
von Doris Dörrie

Bewertet mit 4 Sternen

Eine Einladung zum Schreiben kann ich kaum ausschlagen, erst recht nicht, wenn sie von Doris Dörrie stammt. Doris Dörrie studierte Theater und Schauspiel in Kalifornien und in New York, entschloss sich dann aber, lieber Regie zu führen. Parallel zu ihrer Filmarbeit veröffentlicht sie Kurzgeschichten, Romane und Kinderbücher. Sie lebt in München, unterrichtet dort an der Filmhochschule „creative writing“ und gibt Schreibworkshops. Bereits 2019 lud sie mit „Leben, schreiben, atmen“ auf inspirierende Weise dazu ein, den Schreibmuskel durch autobiografisches Schreiben zu trainieren.

Gerne bin ich damals ihrer Einladung gefolgt und habe seitdem immer mal wieder zu Themen dieses Buches im privaten Rahmen geschrieben. Es sind kleine Zeitreisen zurück in die Vergangenheit, die mal schön und herzerwärmend sein können, manchmal aber auch ein wenig melancholisch sind, vielleicht auch traurig machen, weil eben nicht immer alles in der eigenen Biografie rosig war. So mancher Rückblick hat jedoch etwas Unterhaltsames und manchmal sogar etwas Erhellendes, weil sich mit zeitlichem Abstand eine andere Sicht auf die Dinge ergeben kann oder man inzwischen auch vieles dazu oder anderes kennengelernt hat. So ist Doris Dörries Einladung zum Schreiben für mich weit über das kreative Schreiben hinaus zu etwas geworden, was ich zu wertschätzen weiß und als bereichernd empfinde. Weitere Schreibanregungen lieferte mir später ihr Buch „Die Welt auf dem Teller“ und auch auf ihrem Instagram-Account finden sich viele Impulse um über Dies und Das schreibend zu sinnieren. Tatsächlich kann ich davon nicht genug bekommen und war umso gespannter, als ich nun ihr gerade erst erschienenes Arbeitsbuch „Einladung zum Schreiben“ in Händen hielt.

Ein hübsches kleines Büchlein, das einen hochwertigen ersten Eindruck hinterlässt, denn der halbe Schutzumschlag gewährt gleich einen Blick auf den roten Leineneinband und auch das dunkelblaue Lesebändchen bleibt nicht lange unbemerkt. Ein Inhaltsverzeichnis bietet einen Überblick über die 50 Stichworte, die die Autorin dem Leser an die Hand gibt. Beim ersten Überfliegen fallen mir banale Begriffe auf, die auf eher unverfängliche Weise vielleicht sogar humorvolle Erinnerungen herauskitzeln können, aber auch einige ernstere sind dabei – insgesamt eine interessante Mischung.

In einem kurzen Vorwort erläutert Doris Dörrie unter anderem, noch einmal die Regeln, um die es geht: „Zehn Minuten am Stück schreiben. Ohne Unterbrechung. Mit der Hand. Nicht nachdenken. Nicht kontrollieren. Nicht bewerten. Blödsinn zulassen. Es geht darum, aufmerksam und vorurteilsfrei dem eigenen Gehirn zuzuschauen und zuzuhören und das, was dort wild aufflackert, aufzuschreiben.“

Und dann geht es auch schon mit den Schreibinspirationen los. Jedem Stichwort folgt in wenigen Sätzen eine Erläuterung und dann ist auf drei linierten Seiten Platz vorgegeben, damit der Leser sein Schreiben ausleben kann. Ich verliebe mich gleich in dieses besondere Notizbuch und fühle mich von den kurzen Beschreibungen sofort angesprochen. So habe ich sie bereits als Arbeitsanweisungen in „Leben, schreiben, atmen“ kennengelernt, das man jedoch nicht unbedingt kennen muss, um an diesem Journal seine Freude zu haben. Aber ich habe es halt gelesen und fühle mich gleich zu Hause, auch wenn ich noch unschlüssig bin, ob ich mich kreuz und quer durch dieses Journal arbeiten werde oder hintereinanderweg zu den Stichworten schreibe.

Beim Durchblättern stoße ich schließlich auch auf das Nachwort und lese es ausnahmsweise gleich nach dem Vorwort. Es ist ein schönes Plädoyer dafür, das Schreiben als Geschenk anzunehmen, ihm auf den tiefen Grund zu gehen und dranzubleiben. Jeden Tag nur zehn Minuten zu schreiben um den Schreibmuskel zu trainieren. „Weiterschreiben. Weitermachen. Niemand auf der ganzen Welt kann so über dich und dein Leben schreiben wie du selbst.“ Eine Aufforderung, die ich gerne annehme. Und ein Buch, das ich gerne an liebe Menschen weiterverschenken werde, von denen ich mir vorstellen könnte, dass ihnen ein wenig Schreibzeit mit Momentaufnahmen der eigenen Vergangenheit Freude machen könnte.