Rezension

Gelungener Abschluss für die Inspektor Shan-Reihe

Die vier Toten von Tibet - Eliot Pattison

Die vier Toten von Tibet
von Eliot Pattison

Bewertet mit 4 Sternen

Geschichtsschreibung wird von den Siegern bestimmt… Ein Spruch, gerne mehr als Floskel benutzt, dessen tiefere Bedeutung und Wahrheit aber in Die vier toten von Tibet ziemlich deutlich wird. 
Tibets Kultur liegt seit Jahrzehnten im Sterben…  Ausgelöscht von der chinesischen Regierung, die alles daransetzt, um die Jahrtausende alte Kultur und Traditionen des Landes aus zu löschen und an ihrer Stelle die „chinesische“ Treten zu lassen. Was passiert mit einem Land, dessen Geschichtsschreibung radikal geändert wird, damit sie in die eines Regimes passt? Was passiert überhaupt, um diese Geschichtsschreibung an ein anders Verständnis der Daseinsberechtigung von Wissenschaft überhaupt anzupassen? 
Seit 20 Jahren lese ich die Romane um Inspektor Shan und seine verschiedenen Fälle, die ihn von einem Tibetischen Straflager nun hierher zu diesem letzten Band durch halb Tibet geführt haben. 
Das dies nun der letzten Band, der Reihe ist, macht mich auch wehmütig, weil ich die Romane einfach richtig gut finde. Pattison hat meiner Meinung nach mit sehr viel Respekt vor Tibet, seiner Kultur und den Menschen dort immer wieder spannende Geschichten erzählt, die gleichzeitig immer wieder China als das Regime entlarvten, das es ist. 
Ja Pattison ist selbst kein Tiber und ja, es wäre wichtig, wenn tibetischen Autor*innen gehör erhalten und in breiter Öffentlichkeit gelesen werden würden. Trotzdem finde ich es genauso wichtig, das jemand Stellung bezieht und indem Pattison darüber geschrieben hat, hat er meiner Meinung dazu beigetragen, das Leser*innen überhaupt genauere Informationen erhalten haben, die sie vielleicht sonst schlichtweg überlesen hätten. Kriminalromane sind eine gute Möglichkeit gesellschaftliche Probleme anzuprangern und ich finde den Blick auf Menschenrechtsverletzungen zu richten ist nie ein verkehrter Weg. 
Ich persönlich war jetzt wenig überrascht, dass auch dieser Band wieder alle meine Erwartungen gehalten hat. Der Kriminalfall war gut konstruiert und die Verwebung mit der politischen Situation vor Ort einmal mehr gelungen. Gleichzeitig bemerkt man auch den Wandel, dem sich Tibet nicht entziehen kann. Manches am tibetischen Buddhismus und auch der noch älteren Bön-Tradition wirkt vielleicht im ersten Moment etwas befremdlich, weil man diese Traditionen nicht kennt und vielleicht auch die Vorstellungen dahinter nicht versteht. Dabei geht es nicht darum irgendeine Form von Exotizismus zu praktizieren, sondern sich auf eine fremde Kultur ein zu lassen, zu versuchen den Blickwinkel auf sich wirken zu lassen. Zu sehen, was hier eigentlich passiert und nicht so sehr, ob diese Vorstellungen einem selbst fremd erscheinen mögen.
Es geht aber auch darum, welche Macht Wissenschaft zugeschrieben wird, denn gerade auch die Archäologie ist hier ein wichtiger Dreh und Angelpunkt für die Geschichtskonstruktion in China, in den nächsten Jahrzehnten. Vieles war mir in dem Punkt so bisher nur sehr abstrakt klar, aber im Roman tauchen konkrete Beispiele auf, die illustrieren, wie diese Konstruktion eigentlich funktioniert und was sie bedeutet. 
Trotzdem, bei all dem naja Lerneffekt, Eliot Pattison gelingt es auch die Spannung zu halten, die wie ich das schon kenne, eher ruhig daher kommt. Es ist keine Action geladener, atemraubender Thriller. Aber das heißt nicht, das mir langweilig beim Lesen wurde. Im Gegenteil, ich mag diese Ruhe, die eigentlich jeder der Shan- Romane ausstrahlt, ich mag die Figuren und ihre Geschichte. Einzig das Ende ist mir vielleicht etwas zu märchenhaft geraten. 

Für mich trotzdem ein würdiger Abschluss der Reihe und ich bin froh, dass ich Shan den ganzen Weg über begleitet habe.