Rezension

Gelungener Shetland-Krimi

Mörderische Brandung - Marsali Taylor

Mörderische Brandung
von Marsali Taylor

Cass Lynch ist ein Skipper - eine selbstbewusste junge Frau, die den Großteil ihres Lebens auf ihrer geliebten Jacht Chalida verbringt und sich ansonsten mit Jobs durchs Leben schlägt. Ihr erster richtiger Auftrag auf See ist die Verantwortung für ein restauriertes Wikingerschiff, das bei Filmaufnahmen auf den Shetland-Inseln eingesetzt werden soll. So führt dieser Einsatz Cass zurück auf ihre Heimatinsel, wo ihr Vater lebt und sie jeden Stein kennt. Aber kaum läuft es so richtig rund für sie, findet sie auf ihrem Schiff Stormfugl eine Tote! Und ausgerechnet auch noch ein wichtiges Mitglied der Filmcrew... jetzt geht es für Cass um alles, denn die Polizei ermittelt in alle Richtungen und auch sie selbst sowie ihre Familie geraten ins Visier der Ermittler.

Es kommt nicht oft vor, dass mir ein Krimi so vom Fleck weg gefällt wie dieser. Hier stimmt einfach alles: Tempo, Spannungskurve, Erzählweise, Figuren, Auflösung. Der Fall wird aus der Ich-Perspektive von Cass erzählt, und ihre Person dominiert die ganze Handlung, die im übrigen nur aus diesem einen Handlungsstrang besteht. Erzählerisch gesehen besteht die erste Hälfte des Romans überwiegend aus Rückblenden auf Cass' bisheriges Leben, die sehr geschickt in ihre erste polizeiliche Vernehmung nach dem Mord eingewoben sind.

Cass ist eine außergewöhnliche Protagonistin. Obwohl sie ein schwieriger Mensch ist, verschlossen und zurückhaltend, mochte ich sie auf Anhieb gerne. Sie lebt in ihrer eigenen Welt und verweigert sich dem Mainstream, indem sie sich auf ihr Boot zurück zieht. Warum das so ist, das wird im Laufe der Handlung aufgeklärt und ihre Figur erfährt in mancher Hinsicht eine wohltuende Entwicklung. Mir hat es besonders gut gefallen, die Welt des Segelns und der Shetlandinseln durch ihre Augen zu betrachten. Besonders nautisch interessierte Leser dürften daran ihre helle Freude haben.

Neben dem nautischen Flair kommt auch noch die glamouröse Atmosphäre eines Filmdrehs dazu. Ich fand es sehr spannend, dem Filmteam dabei über die Schulter zu schauen und zu erfahren, wie es hinter den Kulissen so vor sich geht. Selbstverständlich hat die Autorin bei dieser Gelegenheit auch ein paar echt mondäne Figuren eingebaut, Diven, Regisseure, aber der eigentliche Star des Films ist natürlich das Schiff. Auch dieser Teil wird vorwiegend in Rückblenden geschildert, denn zum Auftakt des Krimis ist der Mord schon passiert und die Dreharbeiten stehen still.

In der zweiten Hälfte der Handlung setzt Cass ihre Spürnase ein und ermittelt auf eigene Faust. Dies ist sie ihrem Schiff und ihrem Ruf schuldig, aber bald schon stellt sich heraus, dass sie noch viel mehr Gründe hat, den Mörder zu überführen. Ganz toll gelungen ist der Autorin der ermittelnde schottische Kommissar (mit Schottenrock!), der mich sehr beeindruckt hat. Die Verdächtigungen gehen in alle Richtungen und Cass hat jede Menge zu tun, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. 

Dabei spielen viele Nebensächlichkeiten plötzlich eine Rolle; ein Windpark, der gebaut werden soll und viele Gegner hat; die familiäre Situation der Ermordeten, der Sabotageverdacht innerhalb Cass' eigenem Team, ein Steinschlag während der Dreharbeiten, das Verhältnis ihres Vaters zu einem Mitglied der Filmcrew... das alles muss beleuchtet und hinterfragt werden. Dabei kommt Cass ganz schön herum und zeigt uns nebenbei ganz wunderbare Schauplätze auf den Shetlands - eine Liebeserklärung an Land und Meer. 

Die Auflösung am Ende ist stimmig, aber auf ihre Art und Weise auch banal. Cass setzt alle ihre Puzzleteile zusammen und hat am Ende einen Auftritt als Sherlock Holmes. Aber nicht nur der Fall ist am Schluß gelöst, auch ihren eigenen Konflikten stellt sich Cass und gibt ihrem Leben eine neue Richtung. Das hat mir richtig gut gefallen, und damit ist der Roman für mich nicht nur ein reiner Krimi, sondern sehr viel mehr. Ich empfehle das Buch gerne weiter an LeserInnen, die Spaß daran haben, wenn eine Geschichte nicht nur auf Tempo gebürstet ist, sondern sich langsam entwickeln darf und ihr Geheimnis erst nach und nach preis gibt. Und wer es gerne nautisch mag und Schottland liebt, der ist hier auch richtig.