Rezension

gern gelesen

Herrschaft der Alten - Alfred Bekker

Herrschaft der Alten
von Alfred Bekker

Bewertet mit 4 Sternen

Die jugendlichen Protagonisten befinden sich im Jahr 2100. Weit mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist 75+ Jahre alt, und nahezu alles ist auf diese Bevölkerungsgruppe zugeschnitten. Die „Alten und Uralten“ bestimmen über grundlegende Normen und Werte, die Selbstbestimmung der unter 75jährigen ist in nahezu allen Bereichen beschnitten. Kontrolliert wird die Einhaltung der zu erfüllenden Regeln über einen implantierten Chip. Zuwiderhandlungen werden unterschiedlich hart bestraft.

Oftmals handelt es sich in Dystopien um das Thema „Neuaufbau nach Weltuntergang bzw. Naturkatastrophe“. In diesem Roman ist es etwas anders, und das hat mich sehr angesprochen. Mein Eindruck war, dass hier Dystopie und Utopie gekonnt vermischt wurden.
Hauptthema ist der demographische Wandel in Deutschland und seine Folgen, sowie die stark fortschreitende Technisierung. Diese Thematiken werden sehr gut und anschaulich dargestellt und ergeben dadurch ein komplettes, plastisches Bild des „neuen“ Deutschlands.
Auf Grund der Rahmenhandlung wurden viele Aspekte des technischen Entwicklungen nochmals hervorgehoben und eingehender behandelt. Die Darstellung dieses vermeintlichen Fortschritts fand ich überaus faszinierend, denn alles Geschilderte war durchaus vorstellbar, zumal Einiges davon auch heutzutage schon diskutiert wird.
Doch trotz meiner Begeisterung muss ich an dieser Stelle ein klein wenig bemängeln, dass der Spannungsaspekt „Flucht“ unter der teilweise etwas zu detailverliebten Darstellung der holographischen Technik, mit der sich Benn u.a. beschäftigt, gelitten hat. Ich persönlich hätte auch gerne etwas mehr vom Leben in den Gesellschaften außerhalb Deutschlands gelesen. Das kam am Schluss etwas zu kurz. Ich gebe allerdings gerne zu, dass das mein persönliches Anliegen ist, denn jugendliche Leser dürften an Benns Hobby durchaus Gefallen finden.
Ein weiterer Knackpunkt war für mich das Jahr 2100. Ich hätte mir hier ein weiter entferntes Datum, mindestens 200/300 Jahre später gewünscht. Dann wäre die Geschichte noch glaubhafter gewesen.

Was die Protagonisten angeht, so werden die Begebenheiten überwiegend aus ihrer Sicht geschildert. Die jugendlichen Hauptpersonen hätten physisch etwas plastischer sein können, doch das fiel nicht weiter ins Gewicht. In ihrem Denken, Fühlen und Handeln sind die Personen sehr gut dargestellt. Die Charaktere sind dabei so unterschiedlich gezeichnet, dass hier jedem Leser ein bestimmter Grad an Identifikation möglich sein sollte.

Ich hatte den Eindruck, der Autor verknüpft mit diesem Roman eine Warnung. Wie Diese lautet, sollte allerdings jeder für sich entscheiden. Diskussionsmaterial liefert der Roman auf jeden Fall reichlich. Daher wäre er auch gut als Schullektüre geeignet.
Ein hochinteressanter, spannender Roman, der vorwiegend Jugendliche, aber auch erwachsene Leser ansprechen dürfte.