Rezension

Geschichte ist blutig und chaotisch, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Die Welt -

Die Welt
von Simon Sebag Montefiore

Bewertet mit 3 Sternen

Kurzmeinung: Ich habe mir unter "Familiengeschichte der Menschheit" etwas anderes vorgestellt.

Wie eine Chronologie der Menschheit mutet das Mammutwerk von Simon Montefiore an, wobei: so etwas ist einfach nicht zu leisten. Denn wenn man eine Chronologie der Menschheit schreiben wollte, müsste man ein Werk über alles schreiben, über ihre sämtlichen Errungenschaften. Da dies unmöglich ist, beschränkt sich „Die Welt“ auf die Themen Politik und Macht, Kampf und Kriege.
Der Autor schreitet in der Menschheitsgeschichte voran mithilfe des Markers der Weltbevölkerung und gibt jeweils einen Überblick über die Weltlage. Jedem Kapitel stellt er eine Liste der Weltagitatoren des betreffenden Zeitabschnitts voran. 

Das Leseerlebnis und der Kommentar: 
Ausgehend von der Aussage des Autors „ich habe mich dazu entschieden, dieses Buch aus der Perspektive von Familien zu schreiben“ komme ich auf eine falsche Spur. Es gibt keine Familiengeschichten am Anfang und auch keine Geschichte von Dynastien. Allerdings … wir reisen zusammen weit weit zurück, der Autor und ich, zu den Pharaonen und Arkadiern, zu den Hethitern, den Nubiern und Assyrern, zu den Persern und den Babyloniern, zu den Barkiden und den Scipionen, zu den ganzen arabischen Dynastien … wie hätte der Autor trotz intensiven Studiums der Quellen hier in einzelne Familien blicken können, so wie ich es mir vorstellte.
Auch später mit besserer Quellenlage ausgestattet, ist der Familienblick nicht dergestalt, wie ich es mir ausmalte, sondern bleibt an der Oberfläche, tiefer zu schürfen ist prinzipiell wahrscheinlich wieder zu viel verlangt, nur sollte man dann damit auch nicht werben, der Autor kann allenfalls einige Schlaglichter werfen. Namedropping gibts auch.
Was bekommt man denn dann? Durchaus eine chronologisch aufgebaute Rundumsicht. Allerdings ist es geraten, sich immer wieder nur einzelne Kapitel herauszugreifen, sonst wird man von dem ungefilterten Wust an Informationen erschlagen.
Der Autor legt zu meinem Missvergnügen sichtlich Wert auf allerlei voyeuristische grausame und blutrünstige Details, alle verbürgt, ohne Zweifel, doch fragt man sich, ob man eine derartige reißerische Aufmachung der Weltgeschichte braucht. Nun ja, was braucht man schon wirklich. Die Bildzeitung auch nicht und doch wird sie gekauft. Reißerisch scheibt Montefiore und auf Effekt. Manche mögen das ja. Und außerdem: so wars. Geschichte ist ist ist blutig und chaotisch, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Eines aber muss man dem Werk bei aller Kritik zugutehalten: den vielen Leuten, denen Geschichte normalerweise am Hinterreifen vorbeigeht weil sie aus deren Sicht dröge, langweilig und bieder daherkommt und nur aus Jahreszahlen bestehe, diese Menschen kann Montefiori mit seiner speziellen Art der Darstellung vielleicht doch an die Materie heranführen und wer weiß möglicherweise sogar begeistern. Insofern ... .

Fazit: Für mich zu detailwulstig mit Fokus auf all dem, was besonders verabscheuungswürdig war in der Geschichte der Menschheit,  andererseits durch eine sehr gute Gliederung, eine Möglichkeit, sich ziemlich rasch einen umfassenden Überblick über einen bestimmten Zeitabschnitt zu verschaffen. 

Kategorie: Sachbuch
Verlag. Klett Cotta, 2023