Rezension

Geschichte nachvollziehbar und erlebbar

1939 – Exil der Frauen -

1939 – Exil der Frauen
von Unda Hörner

„Die Realität bricht endgültig ein in die Welt der Intellektuellen, deren Gedanken bislang darum kreisten, wie die eigene Existenz nach philosophischen Maximen am elegantesten zu ordnen sei und wie ein unbürgerliches Liebesleben aussehe. Die Angst vor dem Krieg war bislang immer noch von der Hoffnung auf kluge politische Entscheidungen überlagert worden. Jetzt ist der Krieg da.“ (67%)

1939 - die Nazis übernehmen immer mehr die Macht in Deutschland, der Zweite Weltkrieg nimmt seinen schrecklichen Lauf. Viele Menschen sind schon geflohen, fühlen sich aber auch in den europäischen Exilländern nicht mehr unbedingt sicher und müssen vielleicht weiterziehen. Wieder andere müssen noch in Sicherheit gebracht werden. Da wären Brecht und seine bunt zusammengewürfelte Familie in Dänemark und Schweden. Erika und Klaus Mann in Amerika. Aber auch Simone de Beauvoir, die in Paris bleibt, und ihr sehr geliebter Partner Satre, der zum Kriegsdienst einberufen wird. 

Die Zeiten sind unruhig, gefährlich, schrecklich. Wie konnte es nur so weit kommen.

Auch die Frauen, die gerade anfingen sich zu emanzipieren, geraten wieder ins Hintertreffen. Die Nazis drängen Frauen rigoros in ihre Rolle als Mutter und Hausfrau zurück. Aber auch für Frauen im Exil ist es schwierig, weiterhin ihrer Berufung oder Beschäftigung nachzugehen. Die Auftragslage der Fotografin Gisèle Freund zum Beispiel wird dünn, auf der Flucht müssen viele Werke zurückgelassen werden. Internationale Kunstausstellungen sind nur schwierig zu organisieren; vor allem geht es gerade darum, die Werke europäischer Künstler in Sicherheit zu bringen. Einige Frauen engagieren sich sehr mutig. Zum Beispiel Ingrid Warburg, die sich um geflüchtete Kinder in Amerika kümmert.

Wer alle drei Bände von Unda Hörner gelesen hat, kann die schnellen und heftigen Entwicklungen der Zeit sehr intensiv nacherleben. Das zögerliche Aufatmen nach dem Ersten Weltkrieg, die aufregenden und glamourösen Zeiten der Zwanziger Jahre, in denen so viel für die Emanzipation der Frauen erreicht wurde. Und aber auch das Aufkeimen des Nationalsozialismuses, denn die Zeiten waren unruhig, man versuchte eine Neudefinition.

Ich habe alle drei Bände sehr atemlos gelesen. Der aktuelle Band, „1939 - Exil der Frauen“, ist sehr beklemmend. Die Entwicklung, die sich abzeichnete, aber die man nicht glauben und ernst nehmen wollte, eskaliert.

Ich kann alle drei Bände jedem nur sehr ans Herz legen. Die Lektüre ist sehr aufschlussreich und Geschichte wird hier nachvollziehbar und erlebbar.

Unda Hörners Bücher sind nicht nur ein spannendes Leseabenteuer; sie sind auch mahnend. Einige Entwicklungen unserer krisengeschüttelten Zeit sind denen in jüngster Geschichte recht ähnlich. Gesellschaftlich scheinen wir gerade ähnlich verwundbar wie vor hundert Jahren.

Unbedingt lesen.

„Sartre antwortet: »Sie haben mich lebhaft interessiert mit dem, was Sie über unsere passive Verantwortung gegenüber der Generation nach uns sagten.« Philosophieren im stillen Kämmerlein, das stete Kreisen um sich selbst, wie eitel im Angesicht der Ereignisse!“ (81%)

Die Frauen:

Hannah Arendt

Simone de Beauvoir

Anna Freud 

Gisèle Freund

Peggy Guggenheim

Lotte Jacobi

Milena Jesenská

Frida Kahlo

Else Lasker-Schüler

Erika Mann

Luise Mendelsohn

Annemarie Schwarzenbach

Dorothy Thompson

Helene Weigel

Virginia Woolf