Rezension

Gigantisches New York

Eine Frage der Höflichkeit - Amor Towles

Eine Frage der Höflichkeit
von Amor Towles

Bewertet mit 5 Sternen

~°..Die Story..°~

New York, 1937

Es ist der letzte Abend des Jahres 1937 als die beiden jungen Frauen Katey Kontent und Evelyn Ross in einer Jazzbar auf den charismatischen Tinker Grey stoßen. Einem Mann, der nicht nur über Stil und guten Manieren verfügt, sondern auch über Geld und Einfluss.
Durch Tinker öffnen sich Kate und Eve fortan verschlossene Türen. Türen, die sie in die New Yorker Upper Class führen und sie auf ihrer Reise der Selbstfindung primär beeinflussen.

Ihre Begegnung setzt eine Kette von Ereignissen in Gang. Ereignisse, die das Leben eines jeden Einzelnen von Grund auf verändern wird.
 

~°..Mein Fazit..°~

Bereits nach wenigen Zeilen der Leseprobe des Buches war für mich klar, dass es sich bei diesem Buch um etwas Besonderes handeln muss. Einem Buch, das dich um fremde Blickwinkel und Denkweisen bereichert und dir die Möglichkeit gibt, mit ihm zu wachsen. Ein Buch, mit einer leisen und dennoch so kraftvollen Botschaft. Auf nahezu unspektakuläre Weise wird es sich deine Aufmerksamkeit erlangen und dir Momente der Freude schenken. Ganz nach den Regeln der Höflichkeit.

„Eine Frage der Höflichkeit“ erzählt in erster Linie eine Episode aus Kates Leben. Kate ist eine junge Frau, die sich auf ihrer Suche nach ihrem Platz im Leben durch das New York der späten 30er Jahre kämpft. Eine Zeit, in der man entweder Jemand oder Niemand war. Eine Zeit voller Hochs & Tiefs. Eine Zeit, in der der berufliche und private Erfolg eines Menschen vielmehr von einflussreichen Leuten als von Charakterstärke oder Talent abhängig war.

Die Geschichte beginnt 1966, als Kate mit ihrem Mann Val bei einer Ausstellungseröffnung im Museum of Modern Art auf zwei Bilder des Mannes stößt, der ihr Leben von Grund auf verändert hat. Tinker Grey. Eine versäumte Liebe und ein langjähriger Freund. Durch die Konfrontation mit Tinker reist sie mit uns in die Vergangenheit zurück und erzählt uns ihre Geschichte. Eine Zeit, in der sie einer Vielzahl von Menschen, Schicksalen und Chancen begegnet war und die sie erst unzählige Weggabelungen des Lebens gehen ließ, bevor sie ihren eigenen Weg fand.

Amor Towles Buch begegnet uns wie eine Momentaufnahme. Es porträtiert das New York der späten 30er Jahre. Wir werfen einen Rundumblick auf die eindrucksvolle Stadt New York und die Bewohner der unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Towles Liebe zur Stadt, zur Kunst und zur Literatur ist in jeder Zeile allgegenwärtig. Selten habe ich einen Roman gelesen, der eine derartige Fülle an Wissen aufwies. Er erzählt uns nicht nur die Geschichte einer versäumten Liebe, sondern auch von Freundschaft, Irrtum und Verrat; von Abenteurern und Lebenskünstlern und letzten Endes vom Leben selbst.

Im Anschluss an die Geschichte brilliert der Roman zudem mit "Georges Washingtons 110 Regeln der Höflichkeit und des angemessenen Benehmens in Gesellschaft und Konversation". Towles Roman hat mich zutiefst beeindruckt und ergattert daher 5 von 5 möglichen Sternen.

„Ich lauschte dem Knarren des Hauses, dem Trommeln des Regens auf dem Dach, dem Atem auf der anderen Seite der Tür. Bemüht, keinen Laut zu machen, legte ich die Hand auf den Knauf. In sechzig Sekunden wäre genau die Mitte zwischen dem Anfang und dem Ende der Zeit erreicht. Und in diesem Moment bestand die Chance, das Jetzt und Hier zu erleben, daran teilzuhaben, sich ihm zu ergeben.“

Zitat, Seite 290

„Warscheinlich bemühen wir nicht oft genug Vergleiche, um mehr Aufschluss darüber zu erhalten, mit wem wir es zu tun haben. Wir erlauben den Menschen, sich in einem kurzen Moment darzustellen – eine Zeitspanne, die so viel leichter zu handhaben und zu kontrollieren ist als ein ganzes Leben.“

Zitat, Seite 329