Rezension

Götter, Sterne, Lügen

Hey guten Morgen, wie geht es dir? -

Hey guten Morgen, wie geht es dir?
von Martina Hefter

Bewertet mit 3.5 Sternen

 Sie haben die Namen von Göttern, aber die Realität von Juno und Jupiter ist eher irdisches Elend: Er leidet an fortgeschrittener Multipler Sklerose, die Welt des Schriftstellers ist im wesentlichen auf das Schlafzimmer mit Pflegebett zusammengeschrumpft. Sie ist Performancekünstlerin in der freien Theaterszen, sprich, ein regelmäßiges Einkommen ist eher nicht vorhanden, mal läuft es finanziell besser, mal schlechter. Neben Balletttraining und Aufführungen sowie einer wachsenden Leidenschaft für Tätowierungen werden nächtliche Chats mit Love Scammern zu Junos kleiner Flucht aus dem Alltag, ebenso wie das Nachdenken über Sterne und planetare Katastrophen.

"Guten Morgen, wie geht es Dir?" von Martina Hefter ist für den Deutschen Buchpreis nominiert und hat sich ziemlich viel aufgeladen: Liebesversprechen und Lügen, Reflektionen übers Älterwerden und die etwas kühne Argumentation von afrikanischen Scammern als späte Rächer kolonialer Ausbeutung. Eine ordentliche Portion Ironie sorgt dafür, dass es nicht zu depressiv wird.

Juno ist kein Opfer von Liebesbetrug, ihr ist nur zu bewusst, dass sich hinter den sonnengebräunten Männern mittleren Alters mit Segelyacht oder Swimming-Pool im Hintergrund junge afrikanische Männer verbergen, die das Vertrauen und die Liebe einsamer Europäerinnen gewinnen wollen, um sie dann umso mehr zu schröpfen. Juni dreht den Spieß um, erzählt den Männern allerlei Lügen, bis diese irgendwann einmal feststellen, dass sie gewaltig verschaukelt werden und sie ihrerseits blockieren. 

Und dennoch: Als sie den jungen Nigerianer Benu kennenlernt und sein Fake-Profil schon bald enttarnt, ist nicht etwa Schluss, sondern die Gespräche dauern an, ja werden persönlicher. Einerseits merkt Juno, dass sie Benu mehr Wahrheiten über sich erzählen möchte, andererseits wartet sie nur, dass er sich ebenso als Scammer erweist wie alle anderen und mit einer Geschichte über eine kranke Mutter, einen plötzlichen Unfall oder sonstige Geldnot beginnt. 

Letztendlich bleibt offen, was Juno eigentlich zu den Scammern zieht. Nur die einsamen Nachtstunden voller Schlaflosigkeit können es eigentlich nicht sein. Das Internet als Fluchtort in einer Realität zunehmend beschränkter Möglichkeiten? So originell ist das nun nicht. Und auch Benu bleibt ( no pun intended) blass, sowohl als Person als auch mit seinen Motiven, die für ihn finanziell uninteressanten Chats fortzusetzen. Immerhin mal ein anderer Ansatz zum Thema love scamming mit der Einsicht: Jeder lügt.