Rezension

Gold im Aszendenten

Die Gestirne
von Eleanor Catton

Bewertet mit 4 Sternen

Zugegeben, Goldgräbergeschichten sind eher nicht so meine bevorzugte Lektüre. Aber wie immer bin ich rein nach meinem Bauchgefühl und den vielen Lobeshymnen zu Eleanor Cattons Roman gegangen, ohne tatsächlich über den Klappentext hinaus zu lesen. Und so war ich anfangs doch recht irritiert über das Setting und musste etwas kämpfen, um in die Handlung richtig einsteigen zu können. Das ist ja auch nicht ohne, eine Geschichte von der Mitte her zu erzählen und noch dazu, es die Figuren selbst erledigen zu lassen. So viele Blickwinkel, jeder hat nur ein Puzzleteil der Story, das sich erst nach vielen hundert Seiten allmählich zu einem ganzen Handlungsbild zusammensetzt. Ich bin auch nicht sicher, ob ich selbst nach der kompletten Lektüre alles richtig verstanden habe. Eine ganze Menge Leute haben eine ganze Menge andere Leute reingelegt und sind ebenso reingelegt worden. Da ist beim Lesen höchste Konzentration gefragt.

Insgesamt bin ich höchst fasziniert von diesem über 1000seitenstarken Buch. Diese aufregend, exotisch durchmischte Gesellschaft in Hokitika hat mir wirklich sehr authentisch vermittelt, was unter Goldgräberstimmung zu verstehen ist. Soviel Aufbruch, Neuanfang, Sehnsucht nach Glück und Reichtum steckt in den Seiten und enthüllt gleichermaßen, welchem Elend die meisten Goldsucher und Glücksritter zu entfliehen suchen. Sie werfen ihr Glück in die Waagschale des Universums und vertrauen den Sternen, zu denen sie schließlich selbst werden und in dem neuen, kleinen Weltgestirn leuchten.

Doch die Etikette wandert mit. So wild und zivilisationslos das eigentliche Goldgräberlager auch aussehen mag, in der neu aufgebauten Stadt zählt nur Herkunft oder Reichtum. Oder der Schein von beidem. Politik, Religion, Gerichtsbarkeit und Medien gehören bereits fest zu Hokitika. Die zivilisierte Welt zieht den Goldgräbern hinterher. Doch mit Tricks und einigen gewandten Kniffen, einer guten Prise Glück und Zufall lassen sich am Ende die, die es verdient haben zur Strecke bringen. Nicht ganz ohne Opfer und Verluste. Und wahrlich meisterhaft erzählt.