Rezension

Graphic Novel - Für Kenner des Kriminalromans

Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski
von Robert Hültner Bernd Wiedemann

Bewertet mit 3 Sternen

Vor dem Hintergrund der Zeit  der Verkündung der Münchener Räterepublik  1918 und der Ermordung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner 1919 erzählt Robert Hültner in "Inspektor Kajetan und die Sache Koslowski"  die  Geschichte  Eugen Meiningers und  Jule Riemers. Der Kriminalroman, der 1996 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde, nimmt seine Leser direkt mit auf eine Zeitreise ins München kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs.

Bernd Wiedemann definiert mit seinem gezeichneten Epilog vor dem Titelblatt die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs als Zeit und Ort der Handlung. Neben den Trümmern einer einfachen Hütte wartet ein Transporter mit Rotkreuzflagge, dem bereits die Plane fehlt. Der behelmte Kopf eines Soldaten ragt aus einem Unterstand heraus. Wiedemanns neu bearbeitete Geschichte in Bildern führt von ausgebrannten Häusern, Grananteinschlägen und schemenhaften Toten auf dem Schlachtfeld zu Demonstrationen hungernder Frauen und Kinder in München. Ein berittener Schutzmann mit gezogenem Säbel, der an der Niederschlagung der Proteste beteiligt ist, steht dem obszön wirkenden Prassen glatzköpfiger Kriegsgewinnler gegenüber. Massenszenen in kräftigem Bleistiftstrich vermitteln eine Vorstellung der aufgeladenen Atmosphäre; nur wenige Personen im Vordergrund haben individuelle Gesichtszüge erhalten. Auf dem Riemerhof stirbt derweil der Altbauer unmittelbar nach der Rückkehr seines jüngsten Sohnes aus dem Krieg. Baron von Bottendorf als Vertreter der antisemitschen Thule-Gesellschaft kauft in dieser Gegend Höfe auf und hat bereits ein Auge auf den Riemer-Hof geworfen. Nach einem Brand in der Münchener Auer Vorstadt ermitteln Inspektor Kajetan und sein Kollege Gnott im Fall des vermissten Eugen Meininger, dessen Geliebte Jule Riemer ist.  Riemer hatte kurz zuvor  über Eisners Tod recherchiert. Eisners Identität war vom Kurier, der Zeitung der Thule-Gesellschaft, infrage gestellt worden. Meininger wurde den Plänen der Thule-Gesellschaft offensichtlich gefährlich und wird ermordet aufgefunden. Jule und Bruder Hans planen ein Attentat auf von Bottendorf.

Wiedemanns Geschichte besteht nicht aus Panels, die Leserichtung wird zur Suchbewegung auf der Suche nach weißer Schrift auf schwarzem Grund.  Die in den Illustratinen dominierende Schwärze lässt Dunkelheit und Armut assoziieren. Die äußerst düstere Stimmung und die Dramatik der Massenszenen haben mich stark beeindruckt. Im Kriminalroman weckt besonders das Schicksal der Riemers das Mitgefühl der Leser.  Kajetans Reflektion, wessen Interessen als Kriminalbeamter er dient, regt zur kritischer Betrachtung der Ereignisse an. Schließlich wirkt der Roman durch seine Dialektpassagen besonders eindringlich.  Die besondere Atmosphäre, die Hültner schafft, kann die gezeichnete Geschichte nicht vermitteln. Ohne Kenntnis des Romans sind in Wiedemanns Graphic Novel die Zusammenhänge nicht immer zu erkennen; die Ereignisse stehen unverbunden nebeneinander. Als Bildgeschichte zum Roman eher den Kennern des Kriminalromans empfohlen.