Rezension

Grau gegen Bunt

Wenn die Wale an Land gehen - Kathrin Aehnlich

Wenn die Wale an Land gehen
von Kathrin Aehnlich

Roswitha Sonntag hat gerade eine Scheidung hinter sich gebracht und beschließt, nach einer hingeworfenen Bemerkung ihres Ex-Ehemannes, einen Ausflug in die Vergangenheit zu unternehmen und ihre Jugendliebe Mick, der in New York lebt, zu besuchen. Mit ihm an ihrer Seite hat sie die Studienzeit verbracht und die kleinen Fluchten aus dem sozialistischen Alltag unternommen, wobei immer die Kultur in Form von Film, Musik und Schauspiel das Element der Freiheit verkörpert. Von der Obrigkeit werden diese Unternehmungen nur eine gewisse Zeit geduldet, bis sich schließlich die Stasi für die Studenten interessiert und Nachforschungen anstellt. Roswitha resigniert und beugt sich, Mick rebelliert und flüchtet ins Land des Klassenfeindes.

Um sowohl die Konstanten als auch die Veränderungen in der Biografie der Hautfigur aufzuzeigen, wechselt die Autorin gekonnt zwischen den Zeiten und damit auch den Orten hin und her. Sie zeigt uns die Vergangenheit der achtziger Jahre im Osten, einerseits geprägt von Unterdrückung und Langeweile, andererseits aber auch die kleinen Rebellionen gegen den verordneten Mief, wenn die Studenten beispielsweise ihre Rock-Oper aufführen und mit der Musik der verhassten Amerikaner unterlegen. In der Gegenwart überquert Roswitha einen Ozean und macht sich, ohne konkrete Informationen und Anhaltspunkte in New York auf die Suche nach Mick und ihrer verlorenen Jugend. Und immer und überall schafft Musik die Verbindungen.

Ich gehe davon aus, dass Kathrin Aehnlichs Sozialisation einige Gemeinsamkeiten mit der ihrer Protagonistin hat, denn sie schildert nicht nur die Zustände in der DDR und den sozialistischen Alltag, sondern auch die Emotionen der Mitglieder der Studentenclique sehr intensiv und anschaulich. Aber auch die Empfindungen, mit denen sich Roswitha Sonntag in New York konfrontiert sieht, beschreibt sie äußerst eindrucksvoll.