Rezension

Grazias Abenteuer in einer Parallelwelt

Das gläserne Tor - Sabine Wassermann

Das gläserne Tor
von Sabine Wassermann

Bewertet mit 4 Sternen

Als Grazia ihren Verlobten zu seinen Ausgrabungen begleitet, wird sie von einem Licht unten im See und von einem nackten Mann überrascht, der aus dem See steigt. Kurze Zeit später sieht sie erneut die Lichter unten im See, und als sie hineinfällt, findet sie sich in einer ganz fremden Welt wieder, die von Wassernot geplagt ist. Sie trifft dort Anschar, mit dem sie aus der Gefangenschaft des Wüstenvolkes fliehen kann. Grazia entdeckt plötzlich eine magische Fähigkeit an sich, sie kann Wasser aus ihren Händen fließen lassen. Nun möchte Anschars Herrscher, dass sie Wasser produziert, um den verschwundenen Wassergott zu ersetzen. Anschar jedoch, der den Wassergott nicht zurückbringen konnte, muss zu einem anderen Herrn wechseln, der seine Persönlichkeit brechen möchte und zu seinen Sklaven äußerst hart ist. Doch da haben sich Anschar und Grazia schon ineinander verliebt… Gibt es eine Rückkehr für Grazia zu ihrer Familie? Gibt es eine Zukunft für sie und Anschar gemeinsam?

Grazia ist ein Kind ihrer Zeit, sie lebt Ende des 19. Jahrhunderts in einer bürgerlichen Familie, hat bereits einen Verlobten, der sie allerdings ein bisschen wie ein Kind behandelt und ihrem ungezügelten Temperament eher Strenge entgegensetzen kann. Doch ihre Zukunft scheint tatsächlich schon fest zu stehen: Ehe, Kinder, Haushalt führen. Liebe steht dabei nicht auf dem Plan. Die lernt Grazia durch ihre Abenteuer in der Parallelwelt kennen. Von Situationskomik sind manche Szenen begleitet, in denen Grazia als wohlerzogene Tochter eher prüde daherkommt, entsprechend dem Zeitgeist ihrer Umgebung, während Anschars Welt eher freizügig ist. Doch Grazia lernt in dieser Welt eine ganz andere Seite an sich kennen, sie verändert sich. So ist die Frage gerechtfertigt, ob sie zu Hause je wieder in ihre alte Rolle hineinschlüpfen kann, so sehr sie auch von Sehnsucht nach ihrer Familie geplagt ist.

Durch den durchdachten Entwurf der Parallelwelt wird der Gegensatz zwischen den beiden Welten sehr deutlich. Anschars Welt beschreibt die Autorin Sabine Wassermann mit vielen Details, die sehr gut aufeinander abgestimmt sind, so dass der Leser sich sehr schnell darin zurechtfinden kann. Etwas abgeschreckt hat mich Anschars Leben bei seinem neuen Herrn, der eindeutig als der Böse der Geschichte identifiziert werden kann. Doch die Schwarz-Weiß-Malerei, die damit einhergeht, hat mich nicht ganz überzeugen können, ich fand sie sehr überzogen. Wie kann ein Herrscher überzeugend für sein Volk sein, wenn sein Bruder an seiner Seite ihm an Cleverness und Bösartigkeit entgegensteht? So wirken in meinen Augen auch die handelnden Personen nicht immer authentisch.

Abgesehen von diesen Kritikpunkten allerdings ist die Geschichte sehr gut aufgebaut, sehr gerne möchte ich wissen, wie es mit Grazia und Anschar weitergeht. Von mir gibt es für den Lesespaß vier von fünf Sternen sowie eine Leseempfehlung.