Rezension

Großartig

Das Licht ist hier viel heller - Mareike Fallwickl

Das Licht ist hier viel heller
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 5 Sternen

Maximilian Wenger war einmal ein berühmter Schriftsteller. Doch nach mehreren gefloppten Romanen und der Trennung von seiner Frau ist er nun ziemlich am Boden. Er zerfließt schier vor Selbstmitleid, als ihn mehrere Briefe einer Frau erreichen. Diese sind anonym und eigentlich an den Vormieter seiner Wohnung gerichtet. Sie beschreibt darin ein Erlebnis, das sie zerrissen und verändert hat – und inspiriert Wenger damit unwissentlich zu seinem nächsten Roman.

Wenger ist ein absoluter Antiheld. Ich könnte mich stundenlang aufregen über seinen Egoismus, seinen Sexismus, darüber wie er nicht zuhört, nicht versteht und sich in seiner Ignoranz noch geil findet. Und trotz alledem macht es extremen Spaß über ihn zu lesen. Zwischendurch mag man fast Mitleid haben, aber das vergeht beim nächsten selbstsüchtigen Gedanken recht schnell wieder.

Ein wenig Erleichterung neben so viel toxischer Männlichkeit bringt da die Perspektive von Wengers Tochter Zoey. Sie steht kurz vor der Volljährigkeit und sie ist voller Wut. Wut auf den Vater, der nie da ist und sich für nichts interessiert außer seinen Büchern. Wut auf die Mutter, die nur für ihren Social-Media-Kanal lebt, nichts an sich heranlässt und in Zoey etwas sehen will, was sie einfach nicht ist. Nur bei ihrem Bruder Spin fühlt sie sich wohl und verstanden.

Ich bin absolut begeistert von diesem Roman! Für mich hat einfach alles gepasst. Angefangen bei Spins und Zoeys Beziehung zu ihren Eltern über die teils zynischen Einblicke in die Verlagsbranche und Social Media und natürlich die Erfahrungen von Übergriffigkeit und Missbrauch, die einen hier mit Wucht trifft. Ich mochte die Figuren unheimlich gerne, auch wenn sie oft keine Sympathieträger sind. Fallwickl trifft aber bei ihren Charakteren eine Mischung aus Individualität und Allgemeingültigkeit, die ich absolut gelungen fand.

Besonders begeistert hat mich ein Streitgespräch zwischen Zoey und Wenger, bei dem sie sich in großer emotionaler Aufruhr ihrem Vater anvertraut. Deutlich möchte man meinen. Doch dann kommt seine Perspektive und es ist so frustrierend wie einfach nichts von dem was sie sagt bei ihm ankommt, wie er wieder nur um sich selbst kreist und nur ihre Wut sieht aber ihre Worte nicht hört. Einfach reinschlagen möchte ich ins Buch oder in Wenger oder in die Welt.

Ich mochte die Story und die Sprache des Romans, die mich mit dezentem österreichischen Akzent verzaubert hat, die mich in Wut versetzt hat, die großes Unwohlsein erzeugt hat, geschmerzt hat aber mich dann auch wieder zum Lachen gebracht hat. Mitreißend, traurig, unterhaltsam, aktuell, schmerzhaft. Ob „Das Licht ist hier viel heller“ ein neues Lieblingsbuch ist? Eh!