Rezension

Großartig! Still und atemberaubend und anders als vermutet

Felicias  Reise - William Trevor

Felicias Reise
von William Trevor

Bewertet mit 5 Sternen

"Felicias Reise" ist ein zeitgenössischer Roman aus dem Jahr 1995 und doch mutet vieles an wie in den 1950ern. Die 18-jährige Felicia, ein katholisches Mädchen in einem Arbeiterviertel in Irland, trifft Johnny. Nach kurzer Liebschaft kehrt er zurück nach England, wo er in einer Rasenmäherfabrik bei Birmingham arbeite, ohne ihr eine Adresse zu hinterlassen. Rasch stellt Felicia fest, dass sie schwanger ist und versucht Johnny ausfindig zu machen. Sie reist nach Birmingham, zieht von Fabrik zu Fabrik und findet Johnny doch nicht. Sie zieht durch die Straßen, trifft verschiedene Charaktere, unter ihnen Mr. Hilditch. Der alte Mann erzählt ihr seine Lebensgeschichte, die er fein ausgestaltet und die doch nichts mit seinem wahren Leben zu tun hat. Als ihr das Geld ausgeht, übernachtet Felicia schließlich in seinem Haus. Immer wieder wechselt die Perspektive, wir erleben die Wochen nicht nur aus der Sicht von Felicia, sondern auch die von Mr. Hilditch, der es genießt in der Öffentlichkeit mit einem jungen Mädchen gesehen zu werden und von Seite zu Seite gruseliger wird, ohne das man es ganz fassen kann. Was hat er vor? Und was ist mit all den anderen Mädchen passiert, an die er sich immer wieder erinnert?

"Felicias Reise" ist ein ganz besonderes Buch. Es hat (in meiner Ausgabe) nur 270 Seiten und ist trotzdem kein Buch, dass man schnell liest. Auch wenn die Geschichte im ersten Moment klein scheint (schwangeres Mädchen sucht ihren Liebsten), so eröffnen sich doch rasch ganze Welten. Das schafft William Trevor nicht zuletzt durch die ganz besondere Sprache, die nicht einfach Mittel zum Zweck ist. Sie ist poetisch und sehr verdichtet, ohne je anstrengend zu werden. Auch als im letzten Drittel die Spannung von Kapitel zu Kapitel weiter steigt, bleibt die Sprache still und ohne Effekthascherei, gerade das macht das Lesen so atemberaubend.

Alles in allem eine absolute Leseempfehlung! Es war sicher nicht das letzte Buch, das ich von diesem Autoren gelesen habe!