Rezension

Grotesk und frustierend - Finger weg!

Die Irrfahrt des Michael Aldrian - Gerhard Roth

Die Irrfahrt des Michael Aldrian
von Gerhard Roth

Bewertet mit 1 Sternen

Uff. Ich habe es geschafft! Ich bin fertig! Endlich! Schon lange hat mich kein Roman mehr so sehr frustriert. Mit seiner Wirrniss, seinen endlosen Widerholungen und seinem Geschwafel hat er mich teilweise so aufgeregt, dass ich ihn irgendwann nur noch las, um zumindest nicht aufgegeben zu haben. Und, Freundchen, ich hab's geschafft!

Die Irrfahrt des Michael Aldrian besteht zu einem Drittel aus Besichtigungen, die Aldrian selbst in Venedig unternimmt. Wir folgen ihm beispielsweise Seitenlang durch Archive, Bibliotheken und Opernhäuser und sehen uns mindestens fünf mal das Deckengemälde einer kleinen Kirche an. Ganze neunzehn Seiten am Stück halten wir uns allein im Archivio di Stato di Venezia auf. All das hat mit der Romanhandlung rein gar nichts zu tun. Aber wir sind ja schließlich in Venedig.

Zu einem weiteren Drittel besteht der Roman daraus, dass Aldrian mehr oder weniger planlos durch Venedig läuft. Dabei geht er immer und immer wieder durch die gleichen Gassen, schaut sich um, betrachtet Schaufenster, wartet auf ein Vaporetto, steigt in ein Vaporetto, sieht sich die Leute im Vaporetto an, steigt wieder aus, läuft weiter. Macht sein Handy aus und wieder an, trinkt einen Spritz (hier wünschte ich, ich hätte mitgezählt). Und da Karneval ist sieht er natürlich überall maskierte Menschen, die natürlich wieder und wieder beschrieben werden müssen. Wir sind ja schließlich in Venedig.

Das übrige Drittel könnte man Handlung nennen. Mit viel Wohlwollen. Auf über 200 Seiten passiert auf jeden Fall nichts weiter, als das Aldrian in Venedig ankommt, sein Bruder und dessen Frau verschwunden sind und er vor der Tür ihres Hauses niedergeschlagen wird. Dazu ein Haufen Andeutungen, Warnungen Venedig zu verlassen und Mutmaßungen. Ich hatte den starken Eindruck, dass Roth mehr daran lag, Venedigs Sehenswürdigkeiten und die Stadt selbst zu beschreiben (die wir übrigens im Nebel, bei Hochwasser und bei Schneefall bewundern dürfen), als einen lösbaren Kriminalfall zu konstruieren.

Am schlimmsten war, dass Hauptcharakter Aldiran mir kein Stück sympathisch war. Er ist ein humorloser Mann, irrational und der Vergangenheit verhaftet. Und nur, weil er oft selbst nicht versteht, was er da macht, wird es für den Leser nicht schlüssiger.
S. 215 „Er konnte sich im Nachhinein nicht erklären, weshalb er Fibonacci hatte in die Enge treiben wollen [...]
S. 280 „Er blieb lange vor dem Tisch stehen und wusste selbst nicht warum.

Warum Aldrians Burder letztlich verschwunden ist, ist wie der Rest des Romans wenig spannend, konstruiert und wird von Aldrian ausschließlich durch Mutmaßungen und Vermutungen „gelöst“. Auch ein paar Leichen und eine abgetrennte Hand können da nicht mehr helfen. Ins Bild passen, wollen sie erst recht nicht. Und wo wir gerade von Spannung reden: Auf Seite 355 endet das „Zweite Buch“ des in vier Teile gegliederten Romans. Und womit? Mit Pauken und Trompeten? Mit einem Cliffhanger, der einen quasi zwingt weiterzulesen? Nichts dergleichen. Hier der letztes Satz dieses Kapitels:
Die ganze Zeit über versuchte er herauszufinden, was er als nächstes tun sollte, aber nichts fiel ihm ein.

Es ist kein Witz. Was soll ich DAZU sagen? Dieser Satz ist symptomatisch für den ganzen Roman. Ich hätte das Werk an dieser Stelle beinahe endgültig zur Seite gelegt. Aber mittlerweile habe ich sogar so etwas wie eine grausame Freude an der niedrigen Qualität. Muss ich noch erwähnen, dass sich neben Aldrian auch viele andere Charaktere fast schon grotesk irrational verhalten? Ich glaube nicht.

Als Einzigen (!) positiven Punkt muss ich anerkennen, dass dieses Buch, das als Roths Venedig-“Zyklus“ angekündigt ist, in sich abgeschlossen ist. Es zwingt dem Leser nicht noch eine Fortsetzung auf. Aber was auch immer in diesem Zyklus noch folgen mag: Ich bin raus. Einmal Quälerei war mehr als genug! Und nach Venedig will ich so schnell erstmal nicht wieder...