Rezension

Gut, aber leider ist bei mir der Funke nicht übergesprungen

Winterfeldtstraße, 2. Stock - Johanna Friedrich

Winterfeldtstraße, 2. Stock
von Johanna Friedrich

Bewertet mit 3 Sternen

Berlin, Anfang der 20er Jahre: Obwohl die Zukunft nicht gerade rosig aussieht und das Geld immer knapper wird, freut sich Charlotte Berglas über ihre Schwangerschaft. Doch eines Tages wirft die Nachricht vom Tod ihres Ehemannes Albert sie völlig aus der Bahn. Die Polizei behauptet, dass er Selbstmord begangen hat, doch Charlotte glaubt nicht daran. Sie klammert sich an den Gedanken, dass es ein Unfall war. Denn Albert hätte sie ihn diesen ungewissen Zeiten niemals allein gelassen. Wie soll es nun weitergehen? Denn niemand gibt der schwangeren Witwe Arbeit und bald ist nichts mehr da, was sich noch in Bargeld umsetzen lässt. Da die Wohnung für Charlotte allein viel zu groß ist, beginnt sie Zimmer zu vermieten und so bildet sich eine ungewöhnliche Wohngemeinschaft.

Der Einstieg in diesen Roman gelingt mühelos, da die Autorin es hervorragend versteht, die damalige Zeit zum Leben zu erwecken. Man kann sich gut in die Handlung hineinversetzen, da man die agierenden Personen und die jeweiligen Handlungsorte beim Lesen sofort vor Augen hat. Man kann die ganz spezielle Atmosphäre förmlich zwischen den Zeilen spüren. Die Verzweiflung, dass das Geld am nächsten Tag womöglich gar nichts mehr wert ist, die hohe Arbeitslosigkeit und die Angst nicht genug zum Essen zu haben, kann man genauso gut nachvollziehen, wie den unbändigen Willen nicht aufzugeben und das Beste aus jedem Tag zu machen.

Charlotte Berglas ist eine starke Persönlichkeit, die versucht nicht aufzugeben und auch die schwierigen Zeiten zu meistern. Der Tod ihres Mannes wirft sie dann allerdings aus der Bahn. Sie fällt in ein schwarzes Loch, aus dem sie ohne Hilfe nicht wieder herauskommen würde. Und so bringt ihr kleinkrimineller Bruder sie auf den Gedanken die Zimmer der großen Wohnung zu vermieten. Die Bewohner sind ganz unterschiedlich und jeder hat seine eigene Geschichte, die nun in diesen Roman einfließt. Langsam nähern sich die Bewohner einander an und verknüpfen ihre Schicksalsfäden untrennbar miteinander. Im Laufe der Zeit erleben sie Höhen und Tiefen miteinander.

Die Handlung ist zwar recht interessant, doch am Anfang plätschert sie eher gemächlich vor sich hin. Obwohl die Protagonisten lebendig wirken und man den damaligen Zeitgeist regelrecht spüren kann, betrachtet man das Zusammenleben zunächst etwas distanziert. Das ändert sich zum Glück im weiteren Verlauf der Handlung. Denn dann wachsen einem die unterschiedlichen Charaktere ans Herz und man beobachtet gespannt, was das Schicksal wohl für sie vorgesehen hat.

Insgesamt gesehen habe ich mich beim Lesen dieses Romans gut unterhalten. Nicht weniger - doch leider auch nicht mehr! Ich konnte den damaligen Zeitgeist, und die ganz besondere Atmosphäre beim Lesen zwar spüren, doch der richtige, zündende Funke ist dabei bei mir leider nicht übergesprungen. Auf meiner persönlichen Leseskala bekommt das Buch deshalb "nur" drei von fünf Bewertungssternen.