Rezension

Gute Idee, aber nicht mein Humor

Morgens leerer, abends voller - Tobias Keller

Morgens leerer, abends voller
von Tobias Keller

Bewertet mit 3 Sternen

„...Warum SIE sind noch Lehra?...“

 

Fabian hat nach dem Referendariat als Lehrer in einer Gesamtschule in Wanne-Eickel begonnen. Er sitzt in der Elternsprechstunde und versucht nebenbei die ideale Aufstellung für eine Fußballmannschaft zu finden. Da stellt ihn eine Mutter obige Frage. Fabians Gedanken gehen einige Wochen zurück.

Der Autor hat einen humorvollen Roman über das schulische Milieu geschrieben. Fabian erzählt seine Geschichte selbst.

Allerdings geht es im Buch nicht nur um Schule. Zwei weitere Aspekte spielen eine Rolle. Zum einen erlebe ich als Leser Fabian im Kreise seiner Freunde, zum anderen kehrt im ungünstigsten Moment seine Freundin Tina aus Mexiko zurück. Während Tinas Part fast statisch verläuft, kommt es in den beiden anderen Handlungssträngen zu überraschenden Entwicklungen.

Auslöser für Fabian, über seine Berufsvorstellung nachzudenken, ist ein Gespräch mit dem Direktor. Er droht mit einer Versetzung ins Sauerland und der Ablehnung der Verbeamtung. Fabian sieht dadurch seine Lebensplanung zusammenbrechen und versucht erstmalig, sich auf die Unterrichtsstunden vorzubereiten. Während der Freundeskreis bei den bisherigen Treffen reichlich dem Alkohol zusprach und gekonnt aneinander vorbei redete, machen sie sich jetzt Gedanken, wie sie Fabian helfen können. Dessen Unterrichtsführung ist nach wie vor chaotisch. Kurze gute Ansätze werden im Keim erstickt.

Tina ist wenig hilfreich. Sie kommt nicht nur als Veganer aus Mexiko zurück, sie entwickelt sich auch zur militanten Tierschützerin. Dass sie den Kater Poseidon aus dem Tierheim holt, kann ich durchaus nachvollziehen. Einige andere ihrer Aktionen ernteten nur Kopfschütteln. Übrigens ist für mich Poseidon der einzige positive Protagonist in der Geschichte.

Der Sprachstil und die Handlung sind sarkastisch überhöht. Hier wäre an vielen Stellen weniger mehr gewesen. Es war oft nicht mein Humor. Das können andere Leser natürlich anders sehen.

Bei Fabian und seinen Freunden hatte ich oft den Eindruck, dass sie nur altersmäßig im Erwachsenenleben angekommen waren. Ansonsten dominierten die Gewohnheiten der Studentenzeit. Nebenbei bedient der Autor manches Klischee. Die Sprache der Schüler entspricht dem Slang einer Schwerpunktschule. Das gibt dem Buch eine gewissen Realitätsbezug. Nach und nach bekommen die Schüler ein Gesicht. Bei einigen wird deutlich, wo ihre Stärken und ihre Schwächen liegen. Als besonderes Stilmittel hat der Autor während der Rückblenden immer wieder kurze Szenen aus den Elterngesprächen wiedergegeben. Deshalb habe ich leisen Zweifel, ob Fabian wirklich seinen Arbeitsstil ändern will. Mit seinem bisherigen Auftreten ist er für jeden Direktor ein Alptraum. Auch seine Kollegen bleiben ziemlich blass.

Das Cover mit den grimmig guckenden Poseidon vor der Tafel gefällt mir ausgezeichnet.