Rezension

gute Mischung aus düsterem Familiendrama und Grusel

Am Anfang war der Frost
von Delphine Bertholon

Darum gehts:

Die Geschichte wird in zwei Erzählsträngen an den Leser gebracht. Zum einen erzählt Grâce in ihrem Tagebuch von 1981 von ihrem Leben, zum anderen spricht deren Sohn Nathan in der Gegenwart zu seiner verstorbenen Frau Cora und erzählt dadurch die aktuellen Geschehnisse.
Grâce Bataille führte ein schönes Leben in der Provinz mit ihren zwei Kindern und ihrem Mann Thomas. Doch allmählich wird sie unglücklich. Thomas ist oft auf Reisen, aber wirklich schlimm wird es erst, als Tina, ein neues Au-Pair-Mädchen, zu ihnen kommt. Grâce wird zunehmend unsicherer und fühlt sich von Tina's Jugend verdrängt. Sie fühlt sich alt und unattraktiv. Und dann ist da noch der Verdacht, dass die beiden eine Affäre haben, der sie Tag und Nacht quält.
Heute. Nathan ist mit seinen Kindern und seiner Schwester Lise zu Weihnachten bei Grâce eingeladen. Dort gehen unheimliche Dinge vor sich. Und zu allem Überfluss taucht auch Nathans Vater wieder auf, der sich seit 30 Jahren nicht mehr hat blicken lassen.
 

Meine Meinung:

Das Tagebuch von Grâce gibt ihre Gefühlswelt sehr gut wider. Man spürt ihren Zorn, aber auch ihre Angst. Durch die regelmäßigen Einträge kann ich die damalige Entwicklung gut nachvollziehen. Ich fand es schockierend, wie stark ausgeprägt ihre Ablehnung gegenüber Tina ist, und vor allem, zu welchen Schritten sie bereit ist, zu gehen. Grâce ist mir (damals) keineswegs sympathisch. Sie kommt mir wie ein verbittertes Biest vor. Viele ihrer Taten empfinde ich als übertrieben und nicht wirklich nachvollziehbar. Anstatt auch nur ein einziges Mal mit ihrem Mann  zu reden, steigert sie sich immer weiter im Geheimen in ihre Wut herein. Man müsste sie bedauern, aber es gelingt mir nicht, Mitleid mit ihr zu empfinden.

In der Gegenwart dagegen wirkt sie alt, verbraucht und einsam. Von der früheren Aggressivität ist nichts mehr zu spüren. Nathan dagegen mag ich sehr gern. Er trauert noch immer um seine Frau, die bei der Geburt der Zwillinge gestorben ist. Dadurch, dass er ihr in Gedanken alles erzählt, was passiert, versucht er, weiter mit ihr in Kontakt zu bleiben und sie in Erinnerung zu behalten. Er ist noch nicht bereit, loszulassen. Aber ändert sich das vielleicht, als er in der Stadt eine Bekannte von früher wiedertrifft? Ganz anders als der ruhige Nathan, der sehr um die Erziehung seiner Kinder bemüht ist, ist seine Schwester Lise. Die Gegensätze haben das Buch sehr abwechslungsreich wirken lassen.

Insgesamt ist das Buch sehr gefühlsgeladen. Beim Treffen mit Thomas z.B. herrscht gleichzeitig Wut, Angst, Resignation, Trauer und Neugier. Die Grundstimmung ist generell eher düster. Mich persönlich hat das Familiendrama aber eher weniger interessiert, obwohl es durchaus gut gemacht war. Ist halt nicht so mein Thema. Gespannt war ich eher, was denn alles Unheimliches passiert. Da hat sich tatsächlich eine bedrohliche Atmosphäre aufgebaut. Es handelt sich zwar um eher harmlose "Streiche", die ihr Ziel, die Bewohner des Hauses (und auch die Leser) einzuschüchtern, aber nicht verfehlt haben.

 

Fazit:

"Am Anfang war der Frost" empfinde ich als eine gute Mischung aus düsterem Familiendrama und einer nicht übertriebenen, ausreichenden Portion unheimlicher Elemente. Insgesamt hat mir das Buch deutlich besser gefallen als erwartet. Und am Ende kommt die lange versteckte grausige Wahrheit dann eben doch noch ans Licht.