Rezension

Gute Tipps für den Anfang, aber etwas zu kleinschrittig

Mit dem Schreiben anfangen - Hanns-Josef Ortheil

Mit dem Schreiben anfangen
von Hanns-Josef Ortheil

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil gibt in diesem Band der Duden-Reihe „Kreatives Schreiben“ Tipps für angehende Schriftsteller, vom richtigen Ort und der richtigen Zeit fürs Schreiben über kleine Fingerübungen bis hin zu Materialsammlungen und Vorbereitungen auf große Projekte.

Meinung

Vorweg sei gesagt: „Mit dem Schreiben anfangen“ ist durchaus kein schlechtes Buch. Ich habe es nur leider mit einer falschen Vorstellung davon gelesen, wie es aufgebaut und für welche Zielgruppe es geschrieben ist.

Mit „Mit dem Schreiben anfangen“ kann wirklich jeder Mensch mit dem kreativen Schreiben beginnen, unabhängig davon, ob er jemals schon mal für solche Zwecke einen Stift in die Hand genommen hat. Der Autor fängt kleinen Fingerübungen - teilweise nur ein, zwei Sätze lang - an, die unterschiedliche Zugänge zum Schreiben liefern können. Wenn man so gar nicht weiß, wie man beginnen soll und ob man überhaupt die Fantasie oder das Talent hat, kreativ tätig zu werden, ist dieses Buch absolut geeignet, denn mit ihm kann man langsam einsteigen und sich ausprobieren. So zeigt Ortheil beispielsweise, wie schon aus einfachen Beobachtungen aus dem eigenen Fenster eine Geschichte werden kann.

Das macht es allerdings für bereits etwas erfahrenere Hobbyautor*innen frustrierend, die sich von einem Buch mit diesem Titel z.B. Tipps für das Beginnen eines größeren Schreibprojektes erhoffen. Denn das ist es nicht, was mit „Mit dem Schreiben anfangen“ gemeint ist. Hier geht es wirklich um die absoluten „Basics“ und noch gar nicht um bestimmte Textsorten, die man später vielleicht verfassen möchte. Das einzige, was der Arbeit an Romanen schon nahe kommt, sind Ortheils Tipps zu Listen, deren Inhalte man später einmal gut verwenden könnte.

Das Buch ist angenehm und übersichtlich strukturiert, sodass die einzelnen Einheiten und Übungen aufeinander aufbauen und man sich langsam zu einem*einer Autor*in mit einem gewissen Repertoire an kreativen Übungen mausern kann.
Problematisch fand ich hier allerdings, dass der Autor für meinen Geschmack zu selten den Sinn einiger Übungen erklärt. Mag sein, dass unkonventionelle Ansätze (z.B. Texte in Twitter-Manier über sich selbst zu verfassen) ihre Berechtigung haben, doch viele waren weit entfernt von der Art von Literatur, die ich gerne schreiben würde, sodass sich mir oft nicht erschlossen hat, wofür ich mit diesen Aufgaben üben und was ich daraus lernen würde.
Zum Thema Chronik erklärt Ortheil beispielsweise, was diese Textsorte einem über sein eigenes Leben sagen kann, aber nicht, wie man sie zum Schreiben über fiktive Figuren nutzen kann. Generell geht es viel um Texte über das eigene Leben, wobei bei mir stets die Frage aufkam, ob dadurch nicht die Gefahr entsteht, dass die fiktiven Figuren einem selbst und den eigenen Bekannten zu sehr ähneln. Darauf ging der Autor zu meiner Enttäuschung aber nicht ein.

Sauer aufgestoßen ist mir auch das Gefühl, dass Hanns-Josef Ortheil viele Vorgehensweisen, beispielsweise die richtige Zeit zum Schreiben oder - im Epilog, als es dann endlich um das Schreiben von Romanen geht - die richtige Herangehensweise an einen Roman, als die einzig richtigen ansieht, nur weil er oder jemand Berühmtes sie gerne anwendet. Besonders in dem Kapitel über Schreibzeiten, das scheinbar mehr auf hauptberufliche Autor*innen ausgelegt ist, fällt dies auf, da einige Hinweise für berufstätige Menschen schlichtweg nicht zu gebrauchen sind. Auch das Tagebuch als literarischer Gattung nach scheinbar sehr starren Regeln erschien mir eher seltsam.

Gewöhnungsbedürftig ist auch die Schreibweise des Buches, die teilweise mehr wie eine literaturwissenschaftliche Analyse wirkt, da Ortheil gerne und ausführlich aus Texten anderer Schriftsteller*innen zitiert. In einigen Kapiteln schreibt er lang und ausführlich über bestimmte Textsorten bestimmter Menschen und gibt am Ende die Schreibaufgabe, auch so einen Text zu verfassen, ohne einmal wirklich darauf eingegangen zu sein, was man daraus lernen würde oder wozu man solche Texte fürs eigene Schreiben nutzen kann. So sind einige Abschnitte mehr Analyse als Ratgeber, was mich ehrlich gesagt oft nicht interessiert hat, zumal ich die meisten der betreffenden Schriftsteller*innen nicht kannte und die Textsorten (z.B. ein Buch nur mit Beschreibungen von Hotelzimmern) in meiner Freizeit nicht lesen, geschweige denn schreiben würde.

Fazit

Wenn man sich darauf einlässt, dass das Buch auch recht viele unkonventionellere Textsorten vorstellt, lange analysiert und dann daraus Schreibübungen macht, kann man aus „Mit dem Schreiben anfangen“ sicher ein paar nützliche Tipps mitnehmen. Besonders für Menschen, die noch keinerlei Erfahrungen mit kreativem Schreiben haben, könnten einige der Anstöße durchaus hilfreich und inspirierend sein.
Etwas geübtere Autor*innen, die beispielsweise auf der Suche nach Tipps für die Arbeit an einem längeren Romanprojekt sind und sich eher in Richtung „klassischer“ Romane bewegen, kommen hier allerdings eher nicht auf ihre Kosten.