Rezension

Gute Unterhaltungslektüre ohne besonderen Anspruch

Abgeferkelt - Andrea Hackenberg

Abgeferkelt
von Andrea Hackenberg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nachdem ich vor geraumer Zeit bereits Hackenbergs "Schnucken gucken" gelesen und mich hiervon prima unterhalten gefühlt hatte, habe ich nun noch zur Lektüre von "Abgeferkelt" gegriffen, auf weitere humorige Kurzweil hoffend. Obschon ich die Handlung eigentlich authentischer als die "Schnucken gucken"-Erzählung fand, muss ich jedoch einräumen, dass mich "Abgeferkelt" doch klar weniger zum Schmunzeln bringen konnte. Kurzweilige Unterhaltung wurde mir aber auch in diesem Fall nun geboten!

Das wenige Jahre später erschienene "Schnucken gucken" von Andrea Hackenberg ist sozusagen ein Sequel zu "Abgeferkelt", was mir aber auch erst während des Lesens klar wurde, da mir das Setting sowie einige Figuren, insbesondere Manolo, noch im Gedächtnis waren. Beide Romane erzählen aber in sich geschlossene Geschichten und sicher ist es schöner, erst "Abgeferkelt" und im Anschluss "Schnucken gucken" zu lesen, nur schon, da man sich so nicht selbst spoilert in Bezug auf Beziehungen/Verhältnisse, die sich erst im Verlaufe von "Abgeferkelt" entwickelt haben. Andererseits: Ich hatte nun nicht das Gefühl, schon viel zuviel zu wissen. Das (persönliche) Umfeld von Billi, der Protagonistin aus "Schnucken gucken" ist dann doch noch ein wenig anders als jenes von Kati aus "Abgeferkelt", auch wenn beide Geschichten in Grümmstein spielen und es jeweils Schnittpunkte zur lokalen Tageszeitung gibt: Diese bzw. den zugehörigen Verlag erbt Kati nämlich in "Abgeferkelt" völlig unerwartet, woraufhin sie, als Beautyredakteurin einer Frauenzeitschrift in Frankfurt, sich undercover als Lokalredakteurin einschleust, um sich ein direktes Bild ihres Erbes machen zu können.
Grümmstein, gegenüber FFM ein Kaff in der tiefsten Pampa, bereitet Kati in Folge einen gehörigen Kulturschock: Die Einwohner sind konservativ, statt Einkaufsmöglichkeiten gibt es unzählige Heidepflanzen, und ihre neuen Redaktionskollegen sind eher von der Fraktion "Frauen an den Herd" und machen keinen Hehl daraus, dass sie Kati kaum etwas zutrauen - dummerweise muss Kati aber auf die eher harte Tour lernen, dass sich die Anforderungen einer lokalen Tageszeitung grundlegend von denen einer Frauenzeitschrift unterscheiden; und sich bemühen, sich nicht entnervt frühzeitig selbst als die neue Chefin zu enttarnen. Auch der Chefredakteur scheint ihr nicht allzu zugetan zu sein, aber nichtsdestotrotz: Er ist schon mehr als einen extra Blick wert ...

"Abgeferkelt" spielt sehr mit den Klischees der mode- und stilbewussten Grossstadtpflanze und der Spiesser und Bauerntrampel auf dem platten Lande; der Kontrast Kati <-> Landbewohner wirkt dabei nicht übertrieben, sondern einfach wie zwei völlig natürliche Welten, die aufeinander prallen, und grade die dargestellten Gegensätze machten für mich den Reiz des Romans stark aus. 
Von der Liebesgeschichte her wartete "Abgeferkelt" zwar mit ein paar Wendungen auf, wobei ich ihr Ende trotzdem recht absehbar fand. Schwieriger zu kalkulieren fand ich, wie stark sich Kati mit ihren modernen Ansichten letztlich würde durchsetzen und ob sie tatsächlich frischen Wind in die angestaubten Redaktionsräume würde bringen können. Die Zeitungsleser bzw. die Einwohner machten die Handlung da ein wenig unberechenbar. Zudem haderte Kati grade eingangs so sehr mit den Verhältnissen in Grümmstein, dass ich ihr auch jederzeit eine Landflucht zugetraut haben würde; man kann also zumindest gespannt sein, wer sich letztlich womöglich wie sehr modernisiert hat, oder eben auch nicht, und ob Kati eben, allein oder nicht, womöglich die Segel streichen und von dannen ziehen würde. 

Tiefschürfende Literatur tut sich in "Abgeferkelt" natürlich nicht aus, dies ist ein reiner Unterhaltungsroman; eben einer, den ich echt gerne gelesen habe, der mich, wie ich zugebe, aber auch nicht gross beeindruckt hat: Aber ich habe ja auch nur unterhalten sein wollen, und das ist "Abgeferkelt" durchaus gut gelungen!