Rezension

Guter Roman

Als der Regen kam - Urs Augstburger

Als der Regen kam
von Urs Augstburger

Bewertet mit 4 Sternen

Als Mauro Nesta zurück in den Ort seiner Kindheit zurückkommt, bekränzen die Einwohner gerade die Strasse. Die Stadt macht sich schick. Das Jugendfest wirft seine Schatten voraus. In Mauro keimen ungute Erinnerungen auf. Mauro weiss nur zu gut, was hinter der schönen Fassade steckt. Die Enge, Hartherzigkeit und Grausamkeit lauert in den Gassen, um sich alkoholschwanger Bahn zu brechen. Das ist nicht sein Fest. Das sind auch nicht, die Menschen mit denen er zusammenleben möchte. Er ist aus einem anderen Grund aus Italien in die Schweiz gereist, wo er für die Einheimischen nur ein Stück Ausländerdreck ist. Seine Mutter ist an Alheimer erkrankt. Er geht sie im Pflegeheim besuchen. Anschließend muss er ihre Wohnung auflösen. Die Situation überfordert ihn. Die Mutter wirkt verwirrter, als er es sich vorgestellt hatte. Ihre Wohnung ist ein Sammelsurium von Absonderlichkeiten. Es scheint, als hätte sie die Vergangenheit in den vier Wänden bewahrt. Auf dem Festplatz betritt Helen Nesta den Tanzboden. Plötzlich beginnt sie mit einem unbekannten Liebhaber zu tanzen. Anders kann Mauro die Situation nicht interpretieren. Sie tanz auch ganz sicher nicht mit seinem Vater, einem italienischen Einwanderer, der inzwischen verstorben ist. Hatte seine Mutter ein Geheimnis? Mauro Nesta forscht nach. Vielleicht kann ihm Pius Kobelt weiterhelfen. Schließlich scheint der alte schwerkranke Herr nicht von der Seite der Mutter zu weichen.

Als der Regen kam ist kein Alzheimer Roman, die Krankheit bleibt ein interessanter Nebenaspekt der Geschichte. Vielmehr ist der Roman eine tragische Liebes- und Lebensgeschichte. Hass, kleingeistige Enge und Verleumdung stürzen auf die Liebenden herab, deren ärgster Feind das Alter und der Tod wird. Bisweilen möchte man Mauro mit der Nase auf die Zusammenhänge stoßen, damit ein Happy end möglich wird. Daraus bezieht der Roman seine Größe. Urs Augstburger wählt eine etwas betuliche, manchmal lyrische, immer griffige und um Exaktheit bemühte Sprache, die zunehmend an Tempo gewinnt. Im zweiten Teil des Buches entsteht ein regelrechter Lesesog, durch die spannenden Ereignisse. Besonders positiv ist mir aufgefallen, wie gut durchdacht der Roman ist und dabei noch intensiv Gefühle herüberkommen, die völlig Kitschfrei transportiert werden. Auch die Figurenzeichnung gelingt tadellos. Gerade bei den Personen, die sich lange im Hintergrund der Geschichte aufhalten, entfalten sich geschlagene Persönlichkeiten, die man am Liebsten in den Arm nehmen möchte. Oder monströse Mächtige, die eigentlich hinter Gitter gehören. Als der Regen kam ist kein oberflächlicher Unterhaltungsroman. Urs Augstburger hat die Tiefe der Meister!