Rezension

Guter Überblick über die Herausforderungen des ersten Jahres

Das große Buch für Babys erstes Jahr - Annette Nolden, Stephan Heinrich Nolte

Das große Buch für Babys erstes Jahr
von Annette Nolden Stephan Heinrich Nolte

Von allen Seiten rieten sie mir: "Lese bloß keine Ratgeber, das verunsichert Dich nur." Diesen Rat schlug ich in den Wind. Im Gegensatz zu meiner Schulzeit mache ich heutzutage eben gerne meine Hausaufgaben, bin gerne vorbereitet. So fand "Das große Buch für Babys erstes Jahr: Das Standardwerk für die ersten 12 Monate" des Gräfe und Unzer Verlags (GU) schon in der 24. Schwangerschaftswoche den Weg zu mir. Der 416-seitige Ratgeber des Autoren-Teams Stephan Heinrich Nolte (Dr. med.) und Annette Nolden soll mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, ganzheitlichem Blick und praktischen Tipps durch die ersten zwölf Monate mit Baby begleiten.

Aufgeteilt in fünf Themenkapitel bietet das Buch einen Überblick über so gut wie alles, was (werdenden) Eltern auf der Seele brennt.

Das erste Kapitel trägt den Titel "Willkommen im Leben" (Seite 10 bis 91). Dieser teilweise langatmige Teil behandelt zunächst philosophisch und psychologisch etwa den "Zauber der ersten Tage" und Inhalte wie "Mutter werden", "Vom Mann zum Vater", "Wenn Vater oder Mutter fehlt", "Familienglück mit Mehrlingen" oder "Die Prägung der ersten Monate". Außerdem findet man hier Ratschläge zur Grundausstattung, zum Heben, Tragen, Wickeln, zu Pflege, Massagen und Hilfsangeboten von Hebamme und Co.

Der Grundton dieses ersten Kapitels klang mir zu ausschweifend und therapeutisch. Knackige, übersichtlich Informationen wären mir lieber gewesen als die Seelen tröstenden Sätze zu sich entwickelnden Rollenbildern und einem sich verändernden Familienleben. Anderen Lesern werden diese warmen Worte aber sicherlich dabei helfen sich auf das sich wandelnde Leben einzustellen. Die Ratschläge zur Grundausstattung, zum Umgang mit einem Neugeborenen, zu Hebe- und Tragetechniken sowie zur Pflege des Kleinen empfand ich dagegen als sehr nützlich, auch wenn ich manche der gezeichneten Skizzenbilder und ihre Beschreibungen nicht wirklich als hilfreich sondern eher als verwirrend empfand. Aber immerhin wurde mir aufgezeigt, was ich noch näher mit meiner Hebamme besprechen möchte.

Was mich sehr interessiert, sind Tragehilfen und -arten. Leider wird dieses Thema in wenigen Sätzen auf einer Seite abgehandelt. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Autoren die verschiedenen Tragen und Gestelle mit Blick auf die aktuelle Forschung beleuchtet hätten. Auch enttäuschte mich, dass Freiberufler und Arbeitslose im eh sehr kurzen Elterngeld und -zeitbereich gar nicht auftauchten. Auf den gehobenen Zeigefinger auf der Seite "Die ökologische Verantwortung" hätte ich dagegen sehr gut verzichten können.

Das zweite Kapitel ist ganz dem Thema "Stillen und Füttern" gewidmet (Seite 92 bis 139). Die Informationen zu Stillproblemen, Nährwert und Menge der Muttermilch, die Tipps rund ums Anlegen und zu Stillpositionen sowie die Ratschläge zu Fläschchen, Milchersatz und Beikost fand ich sehr informativ und hilfreich.

Im dritten Kapitel dreht sich alles ums "Schlafen und Trösten" (Seite 140 bis 167). Vieles hier Erklärte erschien mir selbstverständlich, allerdings kenne ich auch genügend junge Eltern die verzweifeln. Die Autoren erklären verständlich Babys Schlaf-wach-Rhythmus, stellen Einschlafrituale und verschiedene (auch umstrittene) Methoden zum Schlafenlernen vor, informieren über die Schlafpositionen und darüber, welche momentan als die sicherste gilt. Auch der plötzliche Kindstod, Risikofaktoren und Vorsichtsmaßnahmen gehören zu diesem Kapitel. Genauso Ratschläge dazu, wie Eltern auf ihre weinenden und schreibenden Babys reagieren sollten.

Das vierte Kapitel "Monat für Monat" ist das ausführlichste (Seite 168 bis 319). Unter Berücksichtigung, dass jedes Kind einzigartig und anders ist, geben Nolte und Nolden einen umfangreichen Überblick darüber, wie sich ein Baby entwickelt. Zum ersten Monat werden zum Beispiel folgende Fragen beantwortet: Was passiert in den ersten Tagen nach der Geburt? Welche Reflexe haben schon Neugeborene? Wie begünstigt man Bindung und Vertrauen? Oder: Was sollte die Mutter im Wochenbett beachten? Die Abschnitte zu den folgenden Monaten enthalten jeweils interessante Fakten und Durchschnittswerte zu Wachstum und Entwicklung sowie einen Ratgeberteil zu empfehlenswertem Elternverhalten ("Elterncoach"). An wichtige Termine (Kinderarzt Frauenarzt, Babykurse, Bekleidungsgrößen…) erinnert ein Memo-Kasten am Anfang jeden Abschnitts. Eingeschobene Informationen zu Fehlbildungen, Bewegungsübungen, Tipps fürs Wohlbefinden der Mutter (Entspannung, Schlaf, Yoga, Sex, Abstillen…), Spielzeug, Reisetipps und vielem mehr ergänzen diese spannenden Überblicke.

Das letzte Kapitel widmet sich "Babys Gesundheit" (Seite 320 bis 401). Die Informationen reichen von den Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen (inklusive übersichtlichem Impfkalender) über den Umgang mit Babys "mit Startschwierigkeiten" (Frühchen, Behinderungen), Unfällen und Erkrankungen bis zur Homöopathie und einem Überblick über die gängigsten Krankheiten.

Im Anhang finden sich dann noch hilfreiche Adressen, Internetseiten, Buchtipps und ein siebenseitiges Glossar. Das Glossar kommt mir für ein Sachbuch dieses Ausmaßes etwas schmal vor. Spontan suchte ich gerade nach Soor und wurde nicht fündig, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, im Buch von dieser Infektionskrankheit gelesen zu haben. Vom Sachregister eines Ratgebers erwarte ich eine lückenlose Dokumentation, damit ich bei konkreten, aktuellen Fragen schnell finde, was ich suche. Ich befürchte, dass dieses Register da leider unzureichend ist.

An sich bereue ich die Anschaffung von "Das große Buch für Babys erstes Jahr" aber nicht. Etwas verunsichert haben mich manche Skizzen und Erklärungsversuche sowie der regelmäßige Hinweis auf Risikofaktoren für den plötzlichen Kindstod (bei Weitem nicht nur auf der kompakten Info-Seite dazu) zwar wirklich, doch gaben mir die meisten anderen Informationen Sicherheit und befriedigten meine Neugierde auf das, was da kommen wird. Etwas störend empfand ich die dezente Unübersichtlichkeit, das dünne Glossar, den manchmal langatmigen, leicht psychotherapeutischen Schreibstil und die etwas stiefmüttlerliche Behandlung der Väter. Viele Themen werden trotz der Dicke des Buches nur angerissen. Als Einstieg reicht das aber aus. Mehr Informationen kann man sich dann immer noch über die empfohlenen Links oder Bücher organisieren. Als schnelles Nachschlagewerk ist der Ratgeber eher ungeeignet, nimmt man sich aber Zeit, erhalten (werdende) Eltern mit ihm einen guten Überblick über die Freuden und Herausforderungen des ersten Jahres.