Rezension

Gutes Darknet? Böses Darknet? – Ein faszinierender Ausflug!

Darknet - Stefan Mey

Darknet
von Stefan Mey

Bewertet mit 4 Sternen

»Immer wieder geistert das »Darknet« durch die Medien. Es ängstigt uns und zieht uns gleichzeitig an. Es verheißt Freiheit, Abenteuer und Anarchie und scheint dabei nicht nur Traum, sondern zugleich auch Alptraum zu sein, ein Ort für die finstersten Seiten der menschlichen Seele.«

Das Darknet – was hatte ich mir bislang darunter vorgestellt? Alles, was ich wusste, basierte auf Meldungen wie „…besorgte sich die Waffe im Darknet“. Ich war wirklich gespannt, was ich in diesem Buch erfahren würde!

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Ich wurde nicht enttäuscht! Nach der Lektüre habe ich das Gefühl, das ich alles, was über das Darknet bekannt ist, zumindest gestreift habe. Wobei es noch vieles gibt, was man nicht weiß. Aber der Reihe nach.

 

Der Autor sorgt beim Leser erst einmal für eine ordentliche Grundlage, ein Basiswissen. Ich erfahre, dass ich keine kriminelle Begabung haben muss, um ins Darknet zu gelangen, sondern dass ich mir einfach eine Anonymisierungssoftware („Tor“) runterlanden könnte. Kostenlos. Ich erfahre sogar die Namen passender Seiten und beginne zu staunen. Kann ich legal ins Darknet? Und wie funktioniert das überhaupt mit der Anonymisierung?

 

Was als nächstes kommt, bestätigt allerdings meine alten Ansichten. Ich unternehme nämlich mit dem Autor einen Einkaufsbummel im Dark Commerce. Ich erfahre, wie man dort zahlt, dass es ein wichtiges Bewertungssystem gibt und Maßnahmen zur Selbstregulierung. Ich lese, wie ein Drogenkäufer seinem Verkäufer eine gute Bewertung ausstellt („toller Händler, jederzeit wieder“), ich sehe Falschgeldangebote („eine Zehnerpackung 50-Euro-Scheine für 150 Euro“) und muss schon fast schmunzeln, als ich zwei Gespräche, die das Deutsche Ärzteblatt über verschlüsselte Textnachrichten mit Darknet-Apotheken führte, lese. Darin zählt tatsächlich ein Händler seine diversen ethischen Grundsätze auf!

Weiter erfahre ich, dass es einen Wettbewerb der illegalen Marktplätze gibt, dass sich diese service-orientiert zeigen, Empfehlungsprogramme und Verantwortliche für „Öffentlichkeitsarbeit“ haben, die auf speziellen Branchenblogs und Diskussionsplattformen posten. Das alles wirkt so normal! Scheinbar gibt es wirklich große Ähnlichkeiten zwischen dem legalen E-Commerce und dem Dark Commerce. Abgesehen von der Handelsware natürlich ;-)

Aber neben dem Handel mit Drogen, Waffen und Falschgeld gibt es natürlich noch den traurigen Bereich der Kinderpornographie, auch dazu erfahre ich folglich einiges. Überrascht lese ich allerdings, dass die schlimmsten Dinge oft im ganz normalen Netz ablaufen!

 

Überhaupt ist es jetzt im Buch an der Zeit, die guten Seiten des Darknets zu beleuchten. Tatsächlich kann es nämlich auch für positive Zwecke genutzt werden, zum Beispiel als Plattform für Whistleblower oder investigative Journalisten. Wichtige zivilgesellschaftliche Organisationen empfehlen die Tor-Software, etwa Reporter ohne Grenzen oder Human Rights Watch. Außerdem gibt es Nutzer, die einfach nicht länger gläsern sein wollen. Ich erfahre, dass viele „normale“ Unternehmen/Seiten auch einen Darknet-Auftritt haben, selbst Facebook betreibt eine solche Präsenz, angeblich, um auch in Ländern erreichbar zu sein, die den Zugang verbieten wollen.

 

Im Vergleich schneidet das gute Darknet trotzdem schlechter ab. Erhebungen liefern bedenkliche Zahlen, illegale Aktivitäten haben doch einen enorm hohen Anteil.

Was tut eigentlich die Polizei dagegen? Wie arbeitet sie und welche Möglichkeiten hat sie? Auch dieser Punkt wird thematisiert.

Ein Anhang mit Interviews, Expertenmeinungen über die Sicherheit der Tor-Software, Infos zu anderen Darknets und einem Glossar vervollständigt das Bild. Apropos Tor-Software: Hier gibt es eine pikante Info: Das Tor-Projekt tritt nämlich als effektive Waffe gegen staatliche Überwachung und Zensur auf, erhält jedoch gleichzeitig und regelmäßig Geld von der US-Regierung. Darüber kann man mal nachdenken…

 

Nachgedacht hat auch der Autor, und zwar über die mögliche Zukunft des Darknets. Er entwirft verschiedene Ausblicke, die er ausführlich beschreibt. Ich gestehe, dieses Kapitel fand ich entbehrlich, das Thema hätte für meinen Geschmack in zwei bis drei Sätzen behandelt werden können. Das ist natürlich subjektiv, viele Leser mögen Dystopien und Utopien, und diesen Lesern werden die Ausblicke vermutlich gefallen.

 

Generell ist alles sehr gut verständlich geschrieben, der Stil dabei informativ und sachlich, selbst bei unschönen Themen. Das empfand ich als sehr angenehm. Am Ende habe ich eine Menge Neues erfahren, es wurde mir aber auch klar, dass man noch viel zu wenig über das Darknet weiß und dass es dort noch viel zu erforschen und zu entdecken gibt.

 

Fazit: Ein faszinierender Ausflug! Sehr informativ und gut verständlich.

 

»Die Zeit der großen Entdeckungen ist eigentlich vorbei, kaum ein Ort auf der Welt ist noch nicht beschrieben und vermessen. Doch das Darknet ist Terra Incognita – es ist unbekanntes, digitales Land.«