Rezension

Hätte toll werden können, aber...

Die Oleanderschwestern - Cristina Caboni

Die Oleanderschwestern
von Cristina Caboni

Bewertet mit 3 Sternen

Geschichte und Erzählstil:

Ich liebe Italien und habe erst vor Kurzem den Handlungsort von Cabonis Geschichte, Volterra in der Toskana, selbst besucht. Deswegen habe ich mich sehr auf das Hörbuch gefreut - Familiengeschichte trifft auf die einzigartige toskanische Landschaft. Das konnte für mich nur gut werden, dachte ich zumindest. Und anfangs klang die Geschichte auch recht vielversprechend: Iris, die in Amsterdam lebt und eine Kolumne für eine Pflanzenzeitschrift schreibt, steht bei einer Gartenschau in London plötzlich ihrem Ebenbild gegenüber. Und diese Begegnung setzt eine spannende Suche nach alten Familiengeheimnissen in Gang. Die Begegnung zwischen Viola und Iris und die anschließenden Konflikte mit ihren Eltern haben mich ein wenig an Erich Kästners Das doppelte Lottchen erinnert. Das Motiv ist auf jeden Fall sehr ähnlich und diente sicher als Vorbild, auch wenn sich die Handlung danach in eine ganz andere Richtung entwickelt.

Dem geplanten Treffen zwischen Iris und ihrem Vater und Viola und der gemeinsamen Mutter stellt sich nämlich Giulia Donati, die Großmutter der Zwillinge, in den Weg. Auf ihren Wunsch hin kommen sie schließlich auf dem Familienanwesen in der Toskana zusammen. Ein einstmals prächtiges Haus mit traumhaften Gärten, die nun heruntergekommen und verödet sind. Ich konnte mir diese vergangene Pracht sehr gut vorstellen und liebe diesen leicht mystischen Handlungsort, den Caboni da geschaffen hat. Zwar habe ich mich zu Beginn etwas schwer getan mit all den Blumen und Pflanzen, die die Handlung beherrschen, andererseits ist es wiederum sehr schön, dass es einen roten Faden gibt, der sich durch die Geschichte zieht. Und das ist nun mal die Leidenschaft für Blumen und das Gärtnern, die nicht nur die Zwillinge Iris und Viola, sondern alle Mitglieder der toskanischen Familie Donati gemeinsam haben. 

Leider wurde ich mit den Charakteren allerdings nicht so richtig warm. Iris war mir schon von Anfang an nicht wirklich sympathisch, obwohl sie eine gute Seele ist und erstmal alles und jeden lieb hat. Vielleicht lag es an ihrem doch sehr naiven Wesen oder auch an Nicole Engelns Interpretation, denn Iris wirkt in beinahe jedem Gespräch wie ein quengeliges Kind und das hat mich ziemlich schnell genervt. Ähnlich ging es mir mit ihrer Schwester Viola, die wiederum alles andere als ein umgänglicher Mensch ist - klar, natürlich ist sie das komplette Gegenteil. Und prahlt mit ihren Erfolgen, ist allzu schnell beleidigt und eingeschnappt - kurzum, sie zu mögen, ist wirklich schwer. Generell wirken Iris und Viola nicht wie zwei junge Frauen in den 20ern, sondern eher wie Kinder oder Teenager. Was auch daran liegt, dass sich ständig alle Sorgen um sie machen - ob sie nur mal kurz in den Wald spazieren gehen oder nach Volterra fahren. Immer heißt es: Wo sind die Mädchen, sind sie etwa ganz allein? Hoffentlich passiert ihnen nichts! Diese übertriebene Fürsorge war mir doch ein wenig suspekt.

Die Geschichte selbst hat definitiv Potenzial und enthält einige mystische, magische Elemente, die wunderbar zu dem verwunschenen Handlungsort passen. Auf dem Anwesen der Donatis läuft die Zeit irgendwie anders und das transportiert Cristina Caboni sehr schön. Die Figur der Großmutter Donati ist im Gegensatz zu ihren Enkelinnen meisterhaft dargestellt - sie spricht oftmals in Rätseln und wird von den anderen Familienmitgliedern gar nicht wirklich ernst genommen. Aber man ahnt schnell, dass sie gar nicht so verrückt ist, wie einige glauben und dass es zwischen den Gärten in der Toskana und den Zwillingen doch irgendeine übernatürliche Verbindung gibt. Diese Thematik fand ich wiederum sehr spannend - eine wirklich tolle Idee.

Aber... leider kommt hier noch ein Aber. Denn die Geschichte in ihrer Gesamtheit hat mich dann doch nicht so gepackt, wie ich das erwartet hatte. Wie gesagt, die Ideen waren da, aber im Mittelteil zog sich das Ganze arg in die Länge, während andere Spuren hingegen im Sande verliefen. Und die Auflösung des großen Geheimnisses am Ende: Naja, da hatte ich definitiv mehr erwartet. Die Lösung erschien mir im Kontext dann doch recht plump und enttäuschend. Auch die Beweggründe der Eltern (wieso haben sie ihre Töchter auseinandergerissen?) sind mir nach wie vor ein Rätsel und wurden nur nebenbei und unzureichend geklärt. Ich bin in dieser Hinsicht nun einmal ganz anderes gewöhnt: Meisterhaft gesponnene Intrigen, jahrzehntealte Rätsel, auf deren Lösung man niemals kommen würde. Beides habe ich in Die Oleanderschwestern vermisst. Und so bleibt es für mich eine ungewöhnliche Doppelte-Lottchen-Geschichte, die vielleicht nicht richtig zu Ende gedacht wurde.

Sprecher:

Wie schon erwähnt, wird Die Oleanderschwestern von Nicole Engelns gelesen, die ich bisher noch nicht kannte. Grundsätzlich hat sie eine sehr angenehme Erzählstimme und ich fand es großartig, wie sie mit dieser den grundverschiedenen Zwillingsschwestern Iris und Viola unterschiedliche Persönlichkeiten verliehen hat. Man hörte quasi immer direkt, um wen es gerade ging. Aber: An einigen Stellen verfällt Engelns in einen vertötend quengelnden Tonfall und schraubt ihre Stimme gefühlt drei Oktaven höher. Und genau das war es, was mir vor allem Iris so unsympathisch und unmöglich machte. Das ist natürlich Geschmackssache, aber hier ist Engelns für mich etwas über das Ziel hinausgeschossen.

Mein Fazit:
Ein traumhafter Handlungsort, ein altes Familiengeheimnis und ein bisschen Magie - das sind die Dinge, die mir an Cristina Cabonis Die Oleanderschwestern wirklich gut gefallen haben. Weniger mochte ich hingegen die Charaktere und den nicht sehr spannenden Handlungsverlauf. Hier wäre deutlich mehr Potenzial vorhanden gewesen. Ich fürchte einfach, die Geschichte wird mir nicht besonders lange im Gedächtnis bleiben.