Rezension

Harte Zeiten

Von ferne klingt ein Lied - Judith Pella

Von ferne klingt ein Lied
von Judith Pella

Bewertet mit 5 Sternen

"...Man stelle sich lieber nicht vor, wie das Schicksal des Feindes aussehen wird, falls die Rote Armee je die Oder überqueren sollte..."

 

Wir befinden uns im Dezember 1941. Cameron ist in die Sowjetunion zurückgekehrt. Da erschüttert eine Nachricht die Welt. Die Japaner haben Pearl Harbor angegriffen und fast die gesamte Flotte der Amerikaner vernichtet. Plötzlich erhält der zweite Weltkrieg eine neue Dimension, Amerika ist unmittelbar betroffen..

Bei dem Buch handelt es sich um den zweiten Teil der Sturmzeiten-Tetralogie. Er schließt fast zeitgenau an den Vorgängerband an.

Während Cameron in der Sowjetunion weiter mit der Bürokratie kämpft und die Suche nach ihren Halbbruder aufnimmt, eskaliert die Situation im Pazifik. Dort hat sich Blair, die zweite Schwester, ein neues Leben aufgebaut und wieder Kontakt zu Gary. Doch die Bombardierung der Philippinen durch Japan zwingt Blair, Manila zu verlassen.

In Amerika kommen auf Jackie, die Jüngste der Schwester, schwere Zeiten zu. Sie liebt Sam, einen japanischen jungen Mann.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Da die drei Schwester nicht nur völlig unterschiedliche Charaktere haben, sondern auch in verscheidnene Teilen der Welt zu finden sind, ergibtsich für die Autorin die Möglichkeit, den Krieg aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Sehr detailliert beschreibt die Autorin die Kriegshandlungen. Das betrifft in diesem Teil vor allem die Vorgänge auf den Philippinen. Dabei scheut sie sich nicht vor Kritik an Amerika. Die amerikanischen Soldaten und Offiziere sind im Mythos der Unbesiegbarkeit erzogen worden. Auf den Philippinen fühlen sie sich nicht nur allein gelassen, sondern müssen die Bitterkeit einer Niederlage erleben.

Vor allem Blair macht auf den Philippinen einen gewaltigen Reifeprozess durch. Als verwöhntes junges Mädchen aus reichen Haus muss sie lernen, sich unterzuordnen und anderen zu vertrauen. Es fällt ihr anfangs schwer zu begreifen, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt ist und nur ihre Bedürfnisse zählen. Sie braucht lange, bevor sie den folgenden Satz von Gary begreift.

„...Du bist ein Staubkorn verglichen mit all dem, was in diesen Tagen geschieht...“

Die Erfahrungen der Flucht zeigen ihr, dass das Leben kein Hollywoodfilm ist. Zunehmend öffnet sie sich für Glaubensgespräche. Diese Dialoge gehören für mich zu den sprachlichen Höhepunkten der Geschichte. Hier wird herausgearbeitet, dass der Glauben immer eine ganz persönliche Beziehung zu Gott ist. Außerdem räumt die Autorin mit der Vorstellung auf, dass ein Christ in jeder Beziehung perfekt sein muss.

In der Sowjetunion gelingt es den Journalisten, Gegenden zu besuchen, die von den deutschen Besatzern befreit wurden. Die Folgen der Besatzung werden in obigen Zitat zum Ausdruck gebracht. Auch Cameron befasst sich mit dem Glauben. Doch im Gegensatz zu Blair ist sie eine starke junge Frau. Sie befürchtet, diese Stärke abgeben zu müssen. Aber auch sie formt der Krieg. Der anfängliche Eifer an ihrem Beruf ist enormen Schwankungen unterworfen. Zu den berührendsten Szenen gehören die Schilderungen der Lebensumstände im eingeschlossenen Leningrad.

Jackie und Sam müssen damit leben, in ihrer Umgebung verachtet zu werden, er von seinen japanischen Freunden, Jackie von der weißen Bevölkerung. Dabei interessiert es niemand, dass Sam die amerikanische Staatsbürgerschaft hat. Er wird genauso behandelt wie diejenigen, die die Staatsbürgerschaft nicht haben.

Überraschende Charakterzüge zeigen die Eltern der Mädchen. Weihnachten lässt selbst einen Keagan weich werden. Und Jackies Mutter zeigt, dass sie sich gegen ihren Mann durchsetzen kann, wenn es ihr wichtig ist.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Autorin versteht es, bei aller Grausamkeit des Krieges auch der menschlichen Seite genügend Raum zu geben. Ihre Protagonisten dürfen in schwierigen Zeiten reifen und wachsen. Alle sind Menschen mit Stärken und Schwächen.