Rezension

Harter Tobak. Sehr gutes Buch!

Fette Sau -

Fette Sau
von Christiane Kromp

Bewertet mit 5 Sternen

Ergreifende Geschichte aus der Sicht eines Mobbingopfers

Klappentext:

„Die übergewichtige Lore geht in der Schule täglich durch die Mobbinghölle und hat keine Freunde. Aber die Lehrer unternehmen nichts dagegen. Lore kommt zu dem Schluss, dass nur Abnehmen ihr helfen kann, in der Gruppe Anerkennung zu finden.

So geht sie fast ein Dreivierteljahr in eine bayrische Klinik, um Gewicht zu verlieren. Dort lernt sie Julia kennen, die ihre Zimmerkameradin wird - und ihre beste Freundin. Mit Berliner Schnauze steht sie Lore gegen die "Zombieschwestern" bei.

Doch bei ihrer Heimkehr ist Lore jedoch immer noch die "fette Sau". Wird es ihr gelingen, ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren und ihr Leben in den Griff zu bekommen?

Anmerkung der Autorin:

"Fette Sau" ist ein Buch gegen Mobbing. Es lässt den Leser aus der Sicht eines Mobbingopfers die Situation erleben, macht dem Leser bewusst, was Mobbing bewirken kann. Die Protagonistin Lore hat durch diese jahrelange Tortur praktisch kein Selbstbewusstsein mehr.

Das ändert sich erst in Bayern, wo sie nicht nur abnimmt, sondern auch wieder lernt, was richtiges Leben bedeutet, nämlich Unternehmungen, Wanderungen, Beschäftigungen mit anderen Menschen. Lore lernt, dass Handyspiele und Mediensucht ihr nicht gut tun. Sie versucht, sowohl das als auch ihre Sucht nach Süßem in den Griff zu bekommen. Sie erkennt, dass all das nur Ersatz für echtes Leben ist. Sie lernt, sich selbst besser anzunehmen und stärkere Unabhängigkeit von der Anerkennung anderer zu entwickeln. Und sie macht die gute Erfahrung der Freundschaft, die aus Sicht der Autorin das beste Mittel gegen Mobbing ist. Schon eine Freundin in der Klasse schützt gegen Mobbing. Zwei Kinder gleichzeitig können nicht so drangsaliert werden wie eines allein.

Außerdem wird Lore klar, dass ihr Übergewicht nur der Aufhänger für das Mobbing war. Die eigentlichen Gründe liegen tiefer und haben nicht unbedingt mit ihrer Person zu tun.

Dieses Buch soll zeigen, was Mobbing bei den Betroffenen anrichten kann. Es soll überdies dazu ermutigen, etwas gegen Mobbing, dessen Mechanismen und dessen Folge zu unternehmen und sich zur Wehr zu setzen, Und dazu kann auch Adipositas gehören, gegen die anzugehen die Autorin ebenfalls ermutigen möchte.“

Lore hat es nicht leicht in der Schule. Sie ist übergewichtig und wird von ihren Mitschülern täglich gemobbt. Sie ist nicht nur verbalen Attacken ausgesetzt, sondern wird auch körperlich angegriffen. Von den Lehrern bekommt Lore wenig bis gar keine Unterstützung, sie sei „zu empfindlich“, heißt es. Das Mädchen ist emotional völlig erschöpft und kann sich gegen die Übermacht nicht verteidigen - auch wenn sich nicht alle aus ihrer Klasse aktiv am Mobbing beteiligen, sie tun auch nichts dagegen. Lore glaubt, dass der einzige Weg aus ihrem Leid ein Gewichtsverlust sei. Sie hofft, dass sie als schlanker Mensch dann endlich akzeptiert und integriert wird.

In der Adipositas-Klinik in Bayern lernt Lore Julia aus Berlin kennen - ihre neue Mitbewohnerin. Endlich hat Lore eine Freundin! Und diese ist zwar auch übergewichtig, aber nicht auf den Mund gefallen. Julia nimmt Lore in Schutz und gibt ihr Kraft. Mit Julia an ihrer Seite fällt es Lore auch einfacher, das weniger schmackhafte Essen und die viele Bewegung auszuhalten. Auch wenn einen nachts der Hunger überkommt.
Nach einem Dreiviertel Jahr und etlichen Kilo’s weniger darf Lore endlich wieder zurück nach Hamburg. Deutlich schlanker und mit neuem Selbstbewusstsein kehrt sie an ihre alte Schule zurück. 

Doch reicht eine andere Kleidergröße aus, um alte Muster zu durchbrechen? Haben sich ihre Klassenkameraden wirklich plötzlich in freundliche Menschen verwandelt? Nicht wirklich. Ihren ‚Opferstatus‘ wird sie so einfach nicht los. Als sich Lore anfängt zu wehren, eskaliert die Situation und Lore’s Kraft schwindet immer mehr. 

Das Buch ist aus der Sicht eines Mobbingopfers verfasst. Der Leser taucht in die negative Gefühlsspirale von der 13jährigen Lore mit ein und leidet bei jeder Beleidigung und jedem Tritt mit. Es ist keine seichte Geschichte für einen gemütlichen Sonntag Nachmittag - ich musste es auf einige Etappen lesen und es hat mich ziemlich fassungslos zurück gelassen. Danach musste ich die Geschichte erst mal sacken lassen und die ganzen Eindrücke für mich verarbeiten. Am schlimmsten waren für mich die Aussagen der Täter, dass Lore selbst schuld an allem sei. Was bitte ist das für eine verquere Denkweise? 

Die Autorin macht auf ein sehr wichtiges gesellschaftliches Problemthema aufmerksam, welches im Alltag oft als Einbildung oder Überempfindlichkeit abgetan wird. Bitte haltet die Augen und Ohren offen und handelt, wenn ihr eine Ungerechtigkeit bzw. Mobbing mitbekommt! Die Opfer sind meist emotional nicht in der Lage, sich aus diesem Strudel zu befreien. Deswegen benötigen sie die Hilfe von uns allen! Zivilcourage ist eine Selbstverständlichkeit!
Außerdem soll das Buch alle Mobbingopfer ermutigen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Kein Mensch verdient so eine Behandlung!

Insgesamt finde ich die Geschichte sehr gut, nicht nur wegen des brisanten Themas. Der Schreibstil ist flüssig und die Hauptprotagonistin Lore ist gut beschrieben. Sie verhält sich für den Leser vollkommen nachvollziehbar. Ihre Freundin Julia ist ein echter Goldschatz! Ich hätte mir gewünscht, als Kind auch eine solch tolle Freundin gehabt zu haben.

Ich würde das Buch als Pflichtlektüre im Schulunterricht empfehlen.