Rezension

Heimelige Zeitreise die 1950er Jahre

Halali - Ingrid Noll

Halali
von Ingrid Noll

Bewertet mit 4 Sternen

„Bevor ich ins Gras beiße, soll Laura erfahren, dass die vermeintlich so biedere Jugendzeit ihrer Großmutter ziemlich aufregend war.“ (S. 156)

Das denkt sich die 82jährige Witwe Holda, deren Enkelin Laura im gleichen Hochhaus wohnt und oft zu Besuch kommt. Als Leser wird man Zeuge der herzlich erfrischenden Beziehung zwischen der Großmutter und ihrer jungen erwachsenen Enkeltochter und fühlt sich, als nehme man gleich neben Laura auf dem Sofa platz und ließe sich durch Holdas Erzählungen ins Bonn der 1950er Jahre versetzen.

Nach und nach erfährt man Holdas Geschichte. Wie sie mit 20 Jahren, als noch nicht volljähriges unverheiratetes Fräulein nach Bad Godesberg zieht und als Sekretärin im Innenministerium in Bonn arbeitet. Wie sie mit ihrer gleichaltrigen Kollegin und besten Freundin Karin ihre Freizeit verbringt. Wie sie einen passenden Ehemann suchen und etwas finden, das einen Agenten auf sie aufmerksam macht. Wie Karin und Holda sich immer mehr in kriminelle Handlungen verstricken – und natürlich wie das alles ausgeht.

Beim Erzählen zieht Holda direkte Vergleiche zwischen damals und heute und verdeutlicht die technische Entwicklung, die Änderung von Berufsbildern und Berufsbezeichnungen und den Zeitgeist. Dabei ließ sie vor meinem inneren Auge ein ums andere Mal einen humorvollen herzlichen Schwarzweißfilm der 1950er Jahre entstehen, der zwar in Agentenmanier daherkommt, dem man vor Leichtigkeit seiner Charaktere aber trotz schwerwiegender Handlungen keine Ernsthaftigkeit abnimmt – geschweige denn Holda und ihre Freundin womöglich für bösartig halten könnte.

Mit „Halali“ unternimmt man eine heimelige Zeitreise in die 1950er Jahre und taucht in das Lebensgefühl junger Frauen dieser Zeit ein – ein unterhaltsamer humorvoller Roman mit einem besonderen Flair, den ich nicht aus der Hand legen mochte.