Rezension

Heller Sirup

Und zum Frühstück heller Sirup - Tore Renberg

Und zum Frühstück heller Sirup
von Tore Renberg

Bewertet mit 4 Sternen

"Und zum Frühstück heller Sirup" umfasst 367 Seiten und gliedert sich in drei Teile. Die Teile sind wiederum in Kapitel untergliedert, die als Überschrift jeweils einen Titel tragen. Dieser steht immer im Zusammenhang mit den Ereignissen des Kapitels oder stellt ein Zitat aus dem jeweiligen Kapitel dar.

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht eines allwissenden Erzählers in der Vergangenheitsform.

Der Roman spielt im Jahr 1997 in der norwegischen Stadt Bergen. Der Handlungszeitraum umfasst eine Woche.

Der Titel der norwegischen Originalausgabe lautet "Charlotte Isabel Hansen". Übersetzt wurde das Buch von Gabriele Haefs.

Meine Meinung zum Buch:
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"Die Kleine isst am liebsten hellen Sirup, es gibt nur Ärger, wenn sie keinen hellen Sirup und Weißbrot bekommt, sie tanzt gern, und sie verträgt Milch nicht gut, glauben wir."

Mit diesen wenigen Worten teilt Anette Hansen Jarle Klepp mit, worauf er in den nächsten Tagen besonders zu achten hat. Denn "Die Kleine" ist Jarles Tochter, die für eine Woche bei ihm wohnen wird. "Die Kleine" ist mittlerweile sieben Jahre alt, aber Jarle hat bislang nicht gewusst, dass er eine Tochter hat. Das erfährt er nur deshalb, weil die Mutter der "Kleinen" verreist und der Meinung ist, "Die Kleine" solle endlich ihren Vater kennen lernen. Beziehungsweise dieser solle endlich seinen Mann stehen.

"Die Kleine" heißt Charlotte Isabel Hansen und wird im Verlauf des Buches das Leben ihres Papas gehörig auf den Kopf stellen.

Bislang war Jarle Klepp ein gewöhnlicher 25-jähriger Literaturstudent, dessen größte Interessen die Proust'sche Onomastik sowie Frauen waren. Seine größten Probleme waren bislang, dass seine liebste Tageszeitung im Kiosk gegenüber nicht erhältlich ist und dass eben jene Tageszeitung sich vehement sträubt, seine Rezension über ein Proust'sches Buch zu veröffentlichen.

Wie schnell sich alles ändern soll...

Zu Beginn des Buches kommt die Handlung nur sehr schleppend voran. Auf den ersten 70 Seiten passiert nicht mehr, als dass Jarle zum Flughafen fährt, um seine Tochter in Empfang zu nehmen. In diesen ersten Seiten liegt der Schwerpunkt eindeutig auf der Vorstellung und Charakterisierung des männlichen Hauptcharakters. Deshalb wird die eigentliche Handlung ständig von Gedanken oder Rückblicken unterbrochen, die Jarle dem Leser näher bringen sollen. Und das gelingt auch. Zwar ist Jarle kein Typ, mit dem sich jeder Leser wird identifizieren können. Er ist einfach sehr speziell. Aber dennoch schafft es der Autor, auf diesen ersten Seiten das Interesse des Lesers für diesen Typ Jarle zu wecken.

Besonders ist, dass der Erzähler, obwohl er als allwissender Erzähler fungiert, fast schon zum Ich-Erzähler neigt. Denn der Leser erfährt von den innersten Gedanken des Charakters Jarle. Dem Autor gelingt es so eindringlich, dem Leser seine Situation und Gefühlswelt zu beschreiben, dass man wirklich das Gefühl bekommt, der Erzähler wäre Jarle selbst.

Richtig in Fahrt kommt die Handlung, als Jarle und Charlotte, die auch gerne Lotte genannt werden möchte, aufeinander treffen. Lotte ist ein quietschfideler Charakter, ein echtes Energiebündel. Sie stellt aufgeweckte Fragen an das Leben und sieht die Welt mit offenen und interessierten Augen. Dabei wird sie ihrem Alter von sieben Jahren mehr als gerecht. Jarle sieht sich nun mit neuen Aufgaben konfrontiert. Ob er es schafft, sich auf seine Tochter einzustellen und ihr in seiner Studentenbude eine angenehme Woche zu bereiten, das lest ihr am besten selbst! Und was ist das eigentlich für eine Mutter, die ihr Kind einfach für eine Woche bei einem wildfremden Mann ablädt, nur um sich einen schönen Urlaub zu machen?

Nur so viel kann ich verraten: Auf alle Fragen findet sich im Buch eine plausible Antwort. Jarle macht in diesem Buch eine enorme Entwicklung durch, die aber authentisch bleibt. Denn er entwickelt sich nicht zum Supervater. Er macht einige Fehler, trifft so manche falsche Entscheidung. Und bei Charlotte kullern einige Tränen.

Jarle und Charlotte waren die beiden Charaktere, die mir in diesem Buch am meisten Freude bereitet haben. Es tauchen auch noch viele andere Charaktere auf, aber die bleiben eher im Hintergrund. Sehr speziell sind die männlichen Freunde von Jarle, die eben echte Männer mit typischen männlichen Eigenschaften sind. Wobei der Autor hierbei auch ein übertriebenes Bild gezeichnet haben mag. Ich bin mit ihnen jedenfalls nicht warm geworden.

Wieso der Autor sich für den Handlungszeitraum des Buches das Jahr 1997 ausgewählt hat, stellt zu Anfang des Buches ein großes Rätsel dar. Nach und nach finden sich aber Erklärungen für diese Frage und am Ende macht schließlich alles Sinn. Denn es hat mit der Charakterisierung der Figuren zu tun. Aber auch hierzu wird nun nicht mehr verraten.

Wer den Film "Kokowääh" mit Til Schweiger gesehen hat, mag sich beim Lesen des Buches an diesen Film erinnert fühlen. Gewisse Parallelen sind durchaus vorhanden.

Mein Fazit:
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Ein schönes Buch über einen jungen Mann, der im Alter von 25 Jahren unvermittelt Vater einer siebenjährigen Tochter wird, die sein Leben gewaltig auf den Kopf stellt und ihn gleichzeitig zu einem besseren Menschen erzieht.