Rezension

Hesses erster Roman...

Peter Camenzind - Hermann Hesse

Peter Camenzind
von Hermann Hesse

Bewertet mit 4 Sternen

Dieser in unmittelbarer Nachfolge von Gottfried Kellers Der grüne Heinrich stehende "Erziehungsroman" hat mit seinen erfrischenden, allem Pathetischen abholden Naturschilderungen bis heute nichts an Charme und Farbe verloren.

Peter Camenzind wächst auf in einem kleinen Bergdorf, einsam gelegen, und fast alle Einwohner sind untereinander aufs engste verschwägert. Drei Viertel der Dorfbewohner tragen den Namen Camenzind, und alle führen ein eher karges, beengtes Leben, abhängig von den Naturmächten und in der Kümmerlichkeit eines arbeistvollen Daseins.
Als sich ihm nach dem Tode der Mutter die Chance ergibt, das Dorf zu verlassen, ergreift Peter Camenzind diese und beginnt seine Suche. Eine Suche nach dem wahren Leben, dem Sinn des Lebens, der Freundschaft, der Liebe, dem Kern des Menschseins. Er studiert, er reist, er wagt sich zu öffnen und wird enttäuscht - Trost findet er immer wieder in der Natur, die ihm im Gegensatz zu den Menschen ihr wahres Wesen nicht vorenthält.

In Hesses erstem Roman finden sich in der Ich-Erzählung des Peter Camenzind etliche Parallelen zu Hesses Person selbst. Die Liebe zur Natur, das distanzierte Verhältnis zum Vater, der frühe Tod der Mutter, die Reiselust und zahlreiche Wanderschaften, die Schwermut bis hin zu Gedanken an den Freitod, der Wunsch ein Dichter zu werden - all diese Details sind Hesses Lebenslauf entlehnt.
Neben der deutlichen autobiografischen Prägung handelt es sich bei der Erzählung aber auch um einen Entwicklungsroman, in dem die geistige und seelische Reifung des Protagonisten im Kern des Geschehens steht.

Auch wenn es sich um ein Frühwerk Hesses handelt, ist bereits hier der Umgang mit der Sprache beachtlich. Die Naturschilderungen waren so bildhaft, so poetisch, dass ich sie mir teilweise mehrfach durchlas, teilweise sogar laut. Neben den Schilderungen der Natur fallen aber auch die scharfen und genauen Beobachtungen der Menschen ins Auge, die ihre Gültigkeit auch über die Zeit hinaus nicht verlieren.
Die Handlung ist nicht spannend, doch es hat mich gefreut, Peter Camenzind auf seiner Suche und bei seinen Begegnungen zu begleiten.

Seit vielen Jahren für mich endlich wieder ein Buch von Hermann Hesse, und sicherlich nicht das letzte in der nächsten Zeit.
Ein Buch, das einen zu einem anderen Lesetempo zwingt, aber für mich Zeile für Zeile ein Genuss war...