Rezension

Hier ist es schön!

Hier ist es schön - Annika Scheffel

Hier ist es schön
von Annika Scheffel

Bewertet mit 4 Sternen

Irma lebt mit ihren Eltern in einer dystopisch angehauchten Welt. Grundsätzlich ist alles wie immer, allerdings kommt kaum einmal die Sonne raus. Lebensmittel sind knapp, Benzin ist kaum erschwinglich und die Pflanzen wollen nicht mehr so recht wachsen. Trotzdem kann sich Irma glücklich schätzen: Sie hat wunderbare Eltern, die sie sehr liebt, auch wenn sie das als Teenager nicht immer zeigen kann und will. Sie hat eine kluge beste Freundin und einen besten Freund, der offensichtlich heimlich in die verschossen ist. Umso mehr verwundert es alle, dass sie sich nichts sehnlicher wünscht, als bei einer neuen Show mitzumachen, bei der ein Pärchen gesucht wird, das gemeinsam auf einem weit entfernten Planeten den Fortbestand der Menschheit sichern soll. Eine Reise ohne Wiederkehr, von der Irma einfach nicht abzubringen ist.

Der Beginn dieses Roman hat mich komplett begeistert. Wir lesen hier ausschließlich Briefe an Irma, die sich gerade in genannter Show befindet. Wir lesen von der Reue ihrer Eltern, die die Gefährlichkeit der Show unterschätzt haben. Die ihrer Tochter Liebe schicken, von zu Hause erzählen und versuchen, ihr keine Vorwürfe zu machen. Briefe von ihren Freunden, die ihre Entscheidung nicht verstehen, deren Leben weitergeht, gehen muss, ohne Irma. Von Fans, die sie anfeuern, von Kritikern, die sie retten wollen. Von der zunehmenden Verzweiflung ihrer Mutter über die anhaltende Trennung. Ich konnte das Buch hier nicht aus der Hand legen und war begeistert wie viel erzählt wird, ohne konkret zu erzählen.

Ein bisschen abwärts ging es anschließend, als wir dann tatsächlich aus Irmas Perspektive lesen. Aktuell und in Rückblenden lernen wir sie persönlich kennen und auch ihr Reisebegleiter Sam kommt zu Wort. Irma ist eine sehr sperrige und wenig liebenswerte Figur. Sie ist unglaublich ungeduldig mit Sam, der seltsam kindlich und unwissend ist. Diese Mischung war erst recht anstrengend aber glücklicherweise gibt sich das mit der Zeit. Je mehr man über Sams Hintergrund erfährt, desto besser versteht man ihn. Hier musste ich zum Teil schwer schlucken, denn seine Geschichte ist nicht ohne. Auch Irma taut auf, sie entwickelt sich, Hinterfragt sich selbst und ihren Drang, diesen Planeten so unbedingt verlassen zu wollen. Den Kontrast zwischen Irmas Pessimismus und Sams begeistertem Blick auf die Welt fand ich großartig. Hier ist es schön! Sam sieht das sofort, Irma will es nicht sehen.

Mir hat der Roman letztlich sehr gut gefallen. Ja, die Geschichte ist offen und es wird nicht viel erklärt. Aber man versteht trotzdem sehr gut, wie die Welt funktioniert und worauf es Annika Scheffel ankommt. Ich muss nicht jede Info vorgekaut bekommen oder alles zu 100% verstehen. Wer beispielsweise die Welt aus dem Report der Magd mochte, sollte auch hier mit den fehlenden Erklärungen keine Probleme bekommen.

„Hier ist es schön“ ist eine traurige, düstere aber auch hoffnungsvolle Geschichte mit absolut gelungener Figurenentwicklung und einem für mich berührenden Ende. Eine besondere Geschichte, die vielleicht nicht jeden Geschmack trifft, mich aber begeistern konnte.