Rezension

Historischer, berührender Roman

Die Tochter des Königs - Barbara Erskine

Die Tochter des Königs
von Barbara Erskine

Bewertet mit 5 Sternen

Es war eigentlich nur eine Schulabschlussfeier. Die junge Lehrerin Jess wollte dort Spaß haben, doch als sie aufwacht, weiß sie, sie wurde vergewaltigt!
Wer tut ihr sowas an? Ihr ehemaliger Schüler, den sie so weit gebracht hat? Oder ihr Ex-Freund William?
Aus Angst vor einem erneuten Angriff flieht Jess zu ihrer Schwester nach Wales. Steph wohnt dort einsam auf einem kleinen Cottage. Doch Steph ist ebenfalls geflohen, denn es spukt deutlich in den Zimmern. Jess lernt dort Glads und Togo kennen - zwei Geisterkinder. Zur Zeit der Romanisierung waren sie Kinder eines großen Keltenkönigs, der jedoch von Römern gefangen genommen wurde, ebenso wie ihre ältere Schwester Eigon und ihre Mutter.
Jess sieht die Kinder und auch Eigon nicht nur bei Nacht wie Schemen zwischen den Bäumen, sondern beginnt auch von Eigon zu träumen. Denn auch das keltische Mädchen wird von vergewaltigt. Doch als sich ihr Peiniger bewusst wird, dass er eine keltische Königin und deren Tochter geschändet hat, lebt Eigon in ständiger Gefahr. Niemand darf davon erfahren, denn es würde dem Keltenkönig das Herz brechen und Eigon in Lebensgefahr bringen!
Zweitausend Jahre später muss auch Jess ihren Schänder fürchten, denn dieser hat ebenso Angst vor der Wahrheit und verfolgt Jess ebenfalls nach Rom.
Doch Jess kann nicht weiter fliehen, solange sie nicht weiß, ob sie Eigon helfen kann oder muss...

"Die Tochter des Königs" ist ein Wälzer von 800 Seiten, der mich erstmal von der Dicke wenig ansprach. Letztlich nahm mich aber die Geschichte so stark gefangen, dass ich froh war, so viel über die Figuren lesen zu können.

Die Geschichte steigt direkt in der Nacht nach der Party ein. Jess träumt von den keltischen Kindern, die einsam sind und verzweifelt. Als sie erwacht, weiß sie nicht, was passiert ist.
Dann lernt man zunächst die Situation um Jess kennen, mit wem sie Umgang hat und was sie so macht. Darauf lernt man Steph kennen und die Spukräume, wo die Kinder umgehen.

Mir war zunächst nicht ganz klar, wie die Geschichten zueinander führen sollen. Es war klar, wo das Ende stattfindet, aber wie und wann war eindeutig nicht abzusehen.
Sehr gut fand ich, dass viele Dinge in dieser Geschichte nicht abzusehen waren. Nie hätte ich erwartet, dass Eigon in Rom den Apostel Petrus kennen lernt, und als ich darüber gelesen hatte, war ich ebenso beeindruckt wie Jess.

Besonders berührt hat mich der Wechsel Eigons zum Christentum. Noch immer war sie sehr verbunden mit ihren keltischen Göttern, und wollte ihre Eltern nicht enttäuschen. Aber dass sie dann die Lehren Petrus' ernst nahm, und sich sogar taufen ließ, war sehr eingehend. Man verfolgt als Leser gemeinsam mit Jess diesen schweren Weg, und als etwas dann Eigon Halt geben kann ist man gleichzeitig erleichtert und erfreut.

"Sie empfand einen tiefen inneren Frieden. Was sie getan hatte, war kein Verrat an den Göttern ihrer Familie, sondern ein Zeichen, dass sie in einen größeren Kreis der Liebe, des Verständnisses und der Kraft eingetreten war, der sie den Rest ihres Lebens stützen würde." (S.498)

Der Handlungsfaden wird in einem sehr großen Bogen geworfen, aber geht einen sehr schönen Weg. Seit einiger Zeit finde ich historische Romane nicht sonderlich toll, aber dieser Roman war anders. Man erlebt in der Jetzt-Zeit mit Jess ihre Geschichte, und gleichzeitig erlebt man mit Jess, wie sie die Geschichte von Eigon erlebt. Auf eine sehr dezente Art erfährt man die historische Geschichte über Rom und die Kelten und die Zeit von Petrus. Die Autorin hat eine sehr geschickte Art gewählt, Eigons Weg zu erzählen. Die Geschichte ist an keiner Stelle langweilig, nirgendwo möchte man das Buch genervt zur Seite legen (obwohl ich mich oft über die fiesen Figuren geärgert habe...) oder hätte gerne eine kürzere Geschichte.
Zum Schluss hätte ich mir sogar noch mehr Seiten gewünscht, weil es einfach großartig war, wie die Fäden plötzlich alle ineinander liefen.

Wirklich wirklich sympathisch war mir, dass es zwar Liebesgeschichten gab, aber die alle sehr nebensächlich waren und keine vordergründige Rolle eingenommen haben. Sie waren wichtig, aber verdrängten nicht die eigentliche Reisegeschichte.

Weil mich das Buch mehrere Abende bis tief in die Nacht gefesselt hat und die Autorin mich nicht nur nach Wales holte, sondern bis ins tiefe Rom mitnahm, vergebe ich mit voller Überzeugung volle Punktzahl!