Rezension

Historischer Roman über die unmittelbaren Folgen des Krieges, über Schuld und Sühne. Inspiriert von einer wahren Geschichte, voller Empathie, Herzenswärme und mit einer sympathisch unerschrockenen Hauptfigur.

I love you, Fräulein Lena -

I love you, Fräulein Lena
von Hanna Aden

Bewertet mit 5 Sternen

In den letzten Wochen des Krieges befinden sich Lena und ihre jüngere Schwester Margot auf der Flucht, nachdem sie den Rest ihrer Familie aus den Augen verloren haben oder vermissen. Die Pastorentöchter hatten von ihrem Vater den Ratschlag erhalten, in der Not an ein Pfarrhaus zu klopfen und auf ihre Herkunft zu verweisen und so haben sie in Niebüll unweit der dänischen Grenze Glück, dass sie von einer Pastorenfrau in ihren Haushalt aufgenommen werden und mitarbeiten dürfen. 
Als die britischen Besatzer die Verwaltung der Stadt nach dem Kriegsende übernehmen, erlangt die selbstbewusste Lena, die auf der Suche nach Abenteuern ist, eine Arbeitsstelle als Übersetzerin und unterstützt die Briten bei der Requirierung von Fahrzeugen. Ihre Euphorie wird allerdings getrübt, als sie einem Kriegsheimkehrer begegnet, an dem sie sich auf der Flucht versündigt hatte. Als Flüchtlingsmädchen wird Lena ohnehin argwöhnisch betrachtet und lebt nun in ständiger Angst, dass ihre Vergangenheit sie nun einholen könnte. 
"I love you, Fräulein Lena" ist ein historischer Roman, der sich mit der Nachkriegszeit unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges beschäftigt. Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven erzählt, wobei neben der mutigen Hauptfigur Lena Buth, ihre verträumte Schwester Margot, der kriegstraumatisierte Apothekenhelfer Rainer Weber, der britische Offizier Nigel Harris und der zwielichtige Kriegsheimkehrer Joachim Baumgärtner in den Vordergrund rücken. 
Das Buch schildert den Alltag von Wiederaufbau und Neuordnung, von Rationierung, Besatzung, Entnazifizierung und Fraternisierungsverbot, von patenten Frauen und versehrten Soldaten und schuldigen Nationalsozialisten sehr anschaulich und macht Geschichte lebendig. Die schwierige Situation zwischen Besatzungsmacht und Kriegsverlierern, die sich gegenseitig argwöhnisch betrachten und nur schwer Vertrauen fassen und eine respektable Beziehung aufbauen, ist wechselvoll und und spannend dargestellt. 
Die Figuren haben Ecken und Kanten und es fällt unabhängig von unterschiedlichen Sympathien für die Charaktere leicht, sich in ihre Situation hineinzuversetzen und ihre Handlungen nachzuvollziehen. Jeder von ihnen ist gezwungen, sich auf unterschiedliche Art und Weise mit der Frage nach individueller und kollektiver Kriegsschuld auseinanderzusetzen, was der so leichtfüßig geschriebenen Geschichte Tiefe verleiht. 
Es ist ein Roman, der von der persönlichen Geschichte der Großmutter der Autorin inspiriert ist und deshalb besonders authentisch wirkt. Es ist eine Geschichte über die Folgen des Krieges, über Schuld und Sühne, aber vor allem über Hoffnung, Neuanfang, Versöhnung, Herzenswärme und Menschlichkeit, die empathisch geschrieben ist und von einer liebenswert quirligen Hauptfigur getragen wird. Die Auswirkungen von Schuld und Gewissen, die Differenzen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen sowie Deutschen und Briten machen die gefühlvolle Geschichte, in der immer wieder die wilde Seite von Lena hervorblitzt, zudem spannend.