Rezension

Humorvolle Analyse der Wende

1990 - Rainer Doh

1990
von Rainer Doh

Bewertet mit 4 Sternen

„...Sie sind Investor, nicht Häuslebauer...“

 

Olaf Knapp eröffnet Mitte der 80er Jahre sein Steuerberatungsbüro in Heckenheim, einer Kleinstadt in Baden-Württemberg. Seine Frau Marianne ist mit Veronika befreundet, der einzigen Tochter von Gottfried Käfer, dem das Reisebüro Käfer-Reisen gehört. Veronikas Leben verlief bisher fast nach Plan, nur ein respektabler Ehemann fehlt noch. Im Jahre 1987 heiratet sie dann, sehr zur Verwunderung ihrer Freunde, den fast mittellosen Paul.Der aber fügt sich gut in das Reiseunternehmen ein und bringt neue Ideen mit. Nur mit dem gewünschten Nachwuchs will es nicht klappen.

Dann kommt das Jahr 1989 und und die Geschäftsleute in Heckenheim träumen von einer Expansion in die östlichen Bundesländer. Plötzlich erinnert man sich an dort noch vorhandene Immobilien und möchte „...drüben nach dem Rechten sehen...“

Der Autor hat einen abwechslungsreichen Wenderoman aus der Sicht eines westdeutschen Steuerberaters geschrieben, denn Olaf Knapp ist der Ich-Erzähler. Mehr als sein Leben aber spielt das Geschehen in der Familie Käfer eine Rolle im Roman. Die Geschichte beginnt zwar 1985, umfasst aber zum großen Teil die Zeit der Wende. Am Ende gibt es einen Ausblick über die Entwicklung nach der Jahrtausendwende.

Das Buch lässt sich gut lesen. Der Schriftstil ist teils ernst, teils humorvoll. Manche Situationen werden gekonnt und bewusst überzeichnet. Die Personen werden gut charakterisiert. Im einführenden Kapitel wird das Heckental ausführlich beschrieben.

Gier und der Traum vom großen Geld führen nicht nur zur Aufbruchstimmung, sondern rufen schnell windige Geschäftemacher auf den Plan. Das Winken mit Millionenbeträgen und hohe Steuerabschreibungen lassen manch seriösen Geschäftsmann die Prinzipien soliden Wirtschaften vergessen. Alles scheint möglich. Der Begriff des Transferrubels steht für schnelles Geld. Sehr gut wird dargestellt, wie die unterschiedlichen Familienmitglieder auf die neuen Anforderungen reagieren. Obiges Zitat ist eine Antwort auf Bedenken von Herrn Käfer. Die Reaktion der Bevölkerung auf das erste Eintreffen eines Trabis lässt sich mit Situationskomik wohl am besten wiedergeben. Ähnliches gilt für das Verhalten bei der Busreise nach Thüringen und Sachsen. Weimar ist zwar die Stadt von Goethe und Schiller, aber deshalb noch lange keine Großstadt. Nicht nur an dieser Stelle stimmten Erwartungen und Realität nicht überein. Doch das tägliche Allerlei gilt es nach wie vor zu bewältigen. Veronika findet ungewöhnliche Wege, um das Nachwuchsproblem noch rechtzeitig zu lösen. Ulla, mit ihrem Mann aus dem Osten in den Westen übergesiedelt, bringt frischen Wind in die Beziehungen der Protagonisten zueinander. Die Beschreibung der ostdeutschen Verhältnisse bewegen sich stellenweise nahe am Klischee.

Das Cover weckt Interesse.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Der Autor zeigt, dass auch in den alten Bundesländer nicht alle Blütenträume der Wende reiften.