Rezension

Ich bin jetzt völlig vernarrt in die Osterinsel

Der Traum von Rapa Nui - Carla Federico

Der Traum von Rapa Nui
von Carla Federico

Bewertet mit 5 Sternen

Als die 26-Jährige Katharina mal wieder für ihre Schwester auf deren kleine Kinder aufpassen muss und trotzdem nur Rüge und Undankbarkeit erntet, fragt sie sich niedergeschlagen, ob das Leben in Südamerika denn nie mehr für sie zu bieten hat. Eine Anzeige in der Zeitung mit einem Aufruf für eine fleißige Ehefrau und Stiefmutter klingt im ersten Moment ziemlich nüchtern, aber im Grunde genau nach der Flucht, die sich die junge Frau so lange gewünscht hat. Einziger Manko an der Sache ist, dass der vermeintliche Traummann auf der Osterinsel, viele Seestunden entfernt von Chile lebt und solch eine Reise im 19. Jahrhundert für eine Dame keine Freude bereithält. Katharina schießt ihre Zweifel in den Wind und macht sich auf den Weg in die Ungewissheit. Auf dem Meer macht sie Bekanntschaft mit dem attraktiven Aaron, der als Missionar die Ureinwohner der Osterinsel unterstützen und dort ein friedliches Miteinander für die chilenischen Schafhirten und ihnen noch unterdrückten Sklaven erschaffen will. An seiner Seite ist der mürrische Tane, doch Katharina hat nur Augen für Aaron.. Steht die Ehe mit dem Fremden aus der Zeitung unter einem guten Stern?

Zu dem neuen Roman von Carla Federico musste ich einfach greifen, weil mich die Kultur der Rapa Nui, allen voran die monumentalen Steinstatuen, die Moai genannt werden, sehr fasziniert. Die Autorin selbst scheint auch völlig vernarrt in dieses einst vergessene Stückchen Erde zu sein, denn in Katharinas Wissensdurst in Bezug auf ihre neue Heimat, hat sie vielleicht einen Teil von ihrer eigenen Neugierde einfließen lassen. Ihr Interesse als freundlich gemeinte Integration in die neue Kultur wird aber von den dort lebenden Chilenen rüde abgewiesen. Sie sehen Rapa Nui als ihr eigenes Land und stempeln die Ureinwohner mit ihren Ritualen als rückständig ab, was die Angst vor den temperamentvollen Männern und Frauen, die in eigener Sprache kommunizieren können, überdecken soll. Glücklicherweise sind nicht alle Bewohner so respektlos und rund um Aaron und Katharina entwickelt sich eine kleine Gegenwehr zu dem respektlosen Verhalten der Inselverwalter, doch die Qual loderte schon zu lange und ein unüberlegter Zug der Ureinwohner, die Tane zum Anführer erkoren, kann alles zerstören. Der ewige Kampf zwischen den Menschen, die dort täglich auf dem sandigen Boden um eine befriedigende Ernte kämpfen, hält sich insgesamt an die geschichtliche Abfolge und die schwelende Wut hat die Handlung immer weiter angespornt, weswegen Langeweile keine Chance hatte.

Dieser Roman hat meine Erwartungen tatsächlich übertroffen, denn Katharina, die zwischen den ehelichen Pflichten zu ihrem Angetrauten und der Leidenschaft zu dem Missionar steht, war eine starke Persönlichkeit, bei der sich trotz Herzschmerz nicht alles nur um sie drehte. Die Osterinsel hat mich für ihre Vergangenheit, die Flora und die Kultur eingenommen und die Autorin führte mich mit ihrem flüssigen Schreibstil durch die einmaligen Schauplätze. Schade war für meinen Geschmack nur, dass sie für uns Leser nicht das Geheimnis der Insel, beispielsweise der mysteriösen Schriftart oder der Statuen aus ihrer Sicht auflöste, denn das schwebt noch nach der Lektüre wie ein Fragezeichen über allem und hätte gerne einen fiktiven Schlusspunkt finden können. Nichtsdestotrotz war dieses Buch eins meiner Highlights dieses Jahres!