Rezension

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Ich habe das Buch gern gelesen, wirklich gefesselt hat es mich nicht.

Das Sandkorn - Christoph Poschenrieder

Das Sandkorn
von Christoph Poschenrieder

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist 1914, der erste Weltkrieg steht vor der Tür. Tolmeyn, die Hauptperson des Romans, ist sich völlig im Klaren darüber, mit Frauen nichts anfangen zu können, Männer zu begehren – in heutiger Begrifflichkeit: schwul zu sein. Der § 175 und die daraus entstandene, weit verbreitete Erpressung homosexueller Männer vertreiben ihn aus Berlin. Eine Anstellung in Rom ist die Lösung – auch angesichts der fehlenden Strafandrohung in Italien. Auf einer Forschungsreise nach Süditalien verliebt er sich in seinen Assistenten Imboden, der seinerseits die vom italienischen Staat beigegebene Begleiterin di Belgioioso liebt, die wiederum in Tolmeyn verliebt ist. Eine Situation, aus der viel entstehen könnte, die die Drei aber nicht zu ihrem Vorteil nutzen können.
Die Kriegsereignisse beenden jede Möglichkeit. Tolmeyn kehrt nach Berlin zurück. Einem in Italien kennengelernten Hexenritual folgend, verteilt er rings um seine Wohnung Sandproben, die er auf seiner Forschungsreise in Italien gesammelt hat. Will er damit – dem Hexenglauben folgend – seine Homosexualität ein- und die Strafverfolgung ausschließen? Dummerweise gerät er genau durch dieses Ritual in die Fänge der Justiz…
Poschenrieder schreibt in ausgesucht gutem Deutsch, ist stilvollendet, literarisch. Er verrät an genau den richtigen Stellen immer genau die richtigen Details, hält so den Spannungsbogen. Er lenkt vom Handlungsstrang immer wieder genau so weit ab, dass man ihn nicht aus den Augen verliert. So gewinnt er Zeit, den Figuren Leben einzuhauchen. Diese wirken authentisch, sympathisch. Sie haben Tiefe und eine Geschichte, die über das Romangeschehen hinausreicht.
“Das Sandkorn” ist ein guter, lesenwerter Roman, den ich ausdrücklich zur Lektüre empfehlen möchte.
Mir persönlich ist der Roman zu perfekt. Er hat kaum Widersprüche, beantwortet zu viel, lotet alles aus, hinterlässt kaum Fragen. Ja, ich habe das Buch gern gelesen. Wirklich gefesselt hat es mich nicht.