Rezension

Ich hatte so meine Probleme mit dem Schreibstil...

Letzte Spur Berlin - Marty Karbassion

Letzte Spur Berlin
von Marty Karbassion

Eigentlich eine sehr berührende persönliche Geschichte - aber ich persönlich kam mit dem Schreibstil nicht klar...

Ich habe in den letzten Jahren fast 300 Rezensionen geschrieben, aber selten ist mir eine so schwer gefallen wie diese. Die Gründe dafür versuche ich nachfolgend etwas zu konkretisieren.

Im Buch versucht der Autor seine Erfahrungen zu verarbeiten. Er war erst sechs Jahre alt, als sein Vater spurlos verschwand. Der Untertitel „Hoffnung - Sehnsucht - Wahrheit“ gibt ziemlich das wieder, was er in chronologischer Reihenfolge empfand. Da der Vater immer mal wieder für einige Zeit weg war, hatte Marty Karbassion auch nach der letzten Begegnung kurz vor seiner Einschulung die Hoffnung, dass der geliebte Papa wiederkommt. Die Hoffnung verwandelte sich mit der Zeit in Sehnsucht. Irgendwann fing er an, das Leben des Vaters zu recherchieren, reiste dafür sogar in den Iran, wo der Vater geboren wurde. Einen Teil der Wahrheit hat er gefunden, ob sich ihm der Rest auch irgendwann erschließen wird, wünsche ich ihm von Herzen.

Anfang der 1960er Jahre musste Mehdi, Marty Karbassions Vater, aus dem Iran fliehen. Er schlug sich alleine nach Deutschland durch. Da er keine Arbeitserlaubnis bekommt, hält er sich und später auch die Familie mit Gelegenheitsjobs und Gaunereien über Wasser. Im Sommer 1988 verschwindet er zusammen mit einer Frau und zwei Männern, nachdem sie ein Freund zum Grenzübergang in die DDR fährt. Viele Jahre später versucht sein Sohn, ihn zu finden. Er liest die alten Tagebücher seines Vaters, befragt Weggefährten und fährt sogar zu den Verwandten in den Iran. Die Idee für das Buch reifte lange in ihm, bis er begann, die Geschichte des Vaters aufzuschreiben.

Trotz der wirklich interessanten Lebensgeschichte des Vaters hatte ich von Anfang an große Probleme, mich in den Protagonisten hinein zu versetzen. Als Hauptgrund dafür sehe ich den Schreibstil, mit dem ich einfach nicht klarkam. Ich wusste oft nicht, wer gerade spricht und habe einige Passagen zweimal gelesen, was meinen Lesefluss sehr gestört hat. Außerdem waren die beschriebenen Gefühle für mich nicht richtig greifbar. Ich fühlte mich eher von außen zusehend als mitten im Geschehen. Das führte dazu, dass ich das Buch immer wieder zur Seite gelegt und andere Bücher dazwischen geschoben habe, weil ich die Lust verlor. Da ich jedoch alle Bücher, die ich in Leserunden und Buchverlosungen bekommen, auch zu Ende lese und als Dank für den kostenlosen Lesestoff Rezensionen schreibe, habe ich mich dennoch mehr oder weniger durchgekämpft.

Zum Schluss hin habe ich mich mit der Geschichte wirklich versöhnen können und mir sogar einen Satz markiert: „Am Ende eines Lebens kommt es nicht darauf an, wieviel man erlebt hat, sondern nur darauf, ob man die Erlebnisse gemeinsam mit dem richtigen Menschen an seiner Seite teilen konnte.“ Das hat mich wirklich berührt, denn da steckt so viel Wahrheit drin!

Auch wenn das Buch mich nicht durchgehend erreichen konnte und wir beide so unsere Probleme unterwegs hatten, so habe ich durch das Lesen anderer Rezensionen und die Verfolgung einer anderen Leserunde gemerkt, dass ich mit meiner Meinung in der Minderheit bin, und das freut mich für den Autor enorm. Ich hoffe dennoch, dass meine konstruktiv gemeinte Kritik ihn nicht demotiviert, denn das möchte ich auf keinen Fall. Es ist sein Debütwerk, und ein Autor wächst meiner Meinung nach an Kritik und natürlich auch durch Erfahrung und weitere Veröffentlichungen. Lieber Marty, bitte mach weiter!!!

Die Lebensgeschichte von Mehdi ist auf jeden Fall lesenswert und ich möchte trotz meiner Schwierigkeiten während des Lesens doch eine Empfehlung für das Buch aussprechen. Für mich persönlich ist es 3 von 5 Sternen wert.