Rezension

Immens wichtig, sehr traurig, einfach nur furchtbar, diese Geschichte.

Als hätte der Himmel mich vergessen - Amelie Sander

Als hätte der Himmel mich vergessen
von Amelie Sander

Bewertet mit 5 Sternen

Von Amelie Sander, unterstützt von Beate Rygiert, stammt „Als hätte der Himmel mich vergessen“.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass Menschen mit einer ähnlichen Geschichte beziehungsweise selbst seelisch und körperlich misshandelt wurden, vorsichtig an das Buch von Amelie Sander herangehen sollten. Vor allem, wenn noch keine oder erst begonnene Therapien im Raum stehen, können sogenannte Trigger einiges auslösen.

 

Begonnen wird mit der gelungenen Flucht im Alter von 21 Jahren, die mithilfe nicht wegschauender Menschen endlich glückt. Immer im Wechsel mit dem Blick auf die Vergangenheit wird von diesem Zeitpunkt an die Entwicklung der Amelie beschrieben. Was ein Kind alles ertragen kann, ertragen muss, hier wird Unvorstellbares geschildert. Die Grausamkeiten, die sich angeblich erwachsene gestandene Menschen ausdenken, um ein Kind nicht nur seelisch zu brechen, sondern auch körperlich massiv zu schädigen, es ist der pure Wahnsinn.

Dabei wird die Leserschaft noch geschont, werden die Wiederholungen der Misshandlungen nur angedeutet. Das ein Kind, später eine junge Frau, derart von ihrer Familie hintergangen wird, das ist skandalös. Im Grunde gehören alle auf die Anklagebank, wären die Taten nicht verjährt. So war das, nicht nur, in den 70er-, 80er-Jahren, es handelte sich um Familienangelegenheiten, da wurde nicht so genau nachgefragt. Weder von Familienangehörigen noch von Nachbarn, Lehrern oder Ärzten.

 

Amelies Leidensweg beginnt früh, die leibliche Mutter begeht erweiterten Suizid mit ihrer älteren Schwester. Das erfährt sie allerdings erst Jahre später. Davor wähnt sie ihre „Mutter“ als ihre Leibliche, die Leserinnen und Leser erkennen den Zeitpunkt anhand des Schreibstils der Autorinnen. Nie erfährt sie ein gutes Wort, Anerkennung, Ermunterung. Im Gegenteil, spielt die Stiefmutter ein fieses Spiel mit Amelie, seit sie denken kann. In Gegenwart anderer Personen muss Amelie schweigen, sich dumm stellen, auch in der Schule. Sonst kassiert sie Schläge und anderes.

 

In all den Jahren leidet sie furchtbaren Hunger und Durst, denn ihre Rationen sind eingeschränkt, schließlich kostet ihr Verwahren sehr viel Geld. Stundenlang, Tagelang, Jahrelang, sitzt sie auf einem Stuhl und ist zum Nichtstun verdammt. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht darüber erwähnen, zu schrecklich sind die Schilderungen. Nur allein der Mangel an Nährstoffen und Flüssigkeiten machen einem klar, wie schwierig es gewesen sein muss, überhaupt die Kraft zu finden, einen Ausstieg zu bewältigen.

 

Es gibt im Grunde nur wenige Schilderungen, die positives aufzeigen. Ein Jahr in einem Kinderheim, das ihr so etwas wie einen Eindruck verschafft, wie es sein sollte, als Kind in dieser Welt zu leben. Und auch die Liebe, die sie zu ihrem Halbbruder entwickeln konnte, und ab und an eine Zuneigung anderer. Das alleine hat sie all die Jahre aufrecht gehalten!

Amelie konnte sich nach ihrer Flucht gut entwickeln und wird es auch weiterhin tun. Sich zu outen mit seiner Geschichte bedeutet grenzenlosen Mut. Sie wird auch negatives erfahren, Andeutungen macht sie bereits. Leider wollen sich die, die sich an Amelie versündigt haben nicht äußern, stritten es ja in der Vergangenheit komplett ab. Aber die körperlichen und seelischen Verletzungen sind unbestritten da und lassen sich nachweisen, auch bei einem Gehirnscan, dessen sollten sich künftige Misshandler bewusst sein.

 

Es ist ein weiteres Buch im Zusammenhang mit Kindesmisshandlungen, vielen sind vielleicht auch die Bücher von Torey, L Hayden bekannt, die ebenfalls, aus Sicht einer Therapeutin, über „ihre“ Kinder schreibt. Es ist ein gut strukturiertes und zeitlich organisiertes Buch geworden, bei der die Vergangenheit in der Gegenwartsform beschrieben wird, als würden die Straftaten ihrer Peiniger gerade verübt werden. Ein gutes Stilmittel, um die Qualen nochmal deutlich herauszustellen, damit auch wirklich jedem begreiflich wird, wie widerwärtig mit Amelie umgegangen wurde.

 

Am Ende finden sich wichtige Telefonnummern und Adressen für misshandelte Personen.

 

Amelie Sander verweist auch auf das Buch von Tsokos und Guddat „Deutschland misshandelt seine Kinder“. Auch hier sind die Zahlen wohl untertrieben, es wird bereits von Millionen misshandelten Kindern ausgegangen. Amelie Sander ist auf Facebook vertreten: https://www.facebook.com/AutorinAmelieSander/ und Beate Rygiert findet man unter: http://www.beaterygiert.de/