Rezension

Inhaltsreicher Roman über den Zweiten Weltkrieg

Der Dolmetscher -

Der Dolmetscher
von Isabella Pallavicini

Bewertet mit 5 Sternen

„...Öffentlich äußert er sich nicht darüber, aber im Geheimen hasst er die Faschisten. Er sagt es mir nie deutlich, aber er macht Anspielungen und ich verstehe ihn...“

 

Enzo, der eigentlich in der Schweiz lebt, unterhält sich mit seinem Cousin Luca, als er wieder einmal während der Ferien bei den Verwandten auf Sizilien ist. Wir schreiben das Jahr 1936. Die Lage ist angespannt.

Die Autorin hat einen spannenden historischen Roman geschrieben und dabei ein Stück eigene Familiengeschichte verarbeitet. Das Buch lässt sich flott lesen.

Der Schriftstil passt sich der Situation an. Stellenweise unterstützt er die spannende Handlung, andererseits lässt er Raum für abwechslungsreiche Gespräche.

Enzos Verwandte gehören zur gehobenen Gesellschaft. Außerdem sind sie weit verstreut. Ein Onkel lebt mit seiner Familie in Amerika. Dadurch hat die Autorin die Möglichkeit, das Geschehen der letzten Kriegsjahre aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

1941 wird Enzo Student an der Fachhochschule für Textilindustrie in Cottbus. Er findet Freunde, die dem Regime kritisch gegenüberstehen. Als er in den Semesterferien in die Schweiz zurückkehrt, trifft es ihn hart. Da er nach wie vor italienischer Staatsbürger ist, wird er mit sofortiger Wirkung zur italienischen Armee eingezogen.

Wegen seiner Sprachkenntnisse wird er als Dolmetscher nach Rom beordert. Dort erkennt er:

 

„...Es war nicht nur die Sprache, vielmehr das Zusammentreffen zweier unterschiedlicher Kulturen. Südländer trafen auf Nordländer. Italienisches Temperament stieß auf deutsche Arroganz...“

 

Enzo, der in beiden Kulturen gelebt hat, wirkt als Vermittler und erarbeitet sich auf beiden Seiten ein gutes Ansehen. Das gilt auch für seine nächste Station, die Insel Lampedusa.

Immer wieder wird die Handlung an andere Orte verlagert. So erfahre ich eine Menge über die geheime Arbeit von Priestern des Vatikan, aber auch über die Rolle, die italienische Emigranten bei der Landung der Alliierten auf Sizilien gespielt haben.

Wichtige Kriegsereignisse wie die Bombardierung des Hafens von Bari erlebt Enzo hautnah. Danach entschließt er sich die Armee zu verlassen und in die Schweiz zurückzukehren. Ausführlich wird die beschwerliche Reise beschrieben.

Im Text sind Briefe eingebunden, die während des Krieges geschrieben worden sind. Sie geben dem Buch eine zusätzliche Authentizität. Auch Tod und Trauer werden nicht ausgespart.

Im Nachwort werden die politischen Zusammenhänge nochmals ausführlich erläutert.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, dass viele Dinge aus italienischer Sicht anders bewertet wurden als aus deutscher.