Rezension

Innenansichten eines Massenmörders

Das zweite Leben des Adolf Eichmann -

Das zweite Leben des Adolf Eichmann
von Ariel Magnus

Bewertet mit 5 Sternen

Wie der Titel des Romans schon andeutet, führt uns der Autor ins Argentinien der 50er Jahre zu Ricardo Klement. Klement ist ein Name von vielen, die sich Eichmann auf seiner Flucht aus Deutschland gegeben hat und Klement ist es auch, der jetzt sein Pech beklagt, dass er ausgerechnet am Tag der Ankunft seiner Frau und seiner Kinder keine Blumen kaufen kann, weil die "Schlampe" Evita Peron gestorben ist und die Argentinier ihr zu Ehren die Händler bis aufs letzte Exemplar geplündert haben.

Diese Szene führt dann auch gleich ungefiltert in Klements Ansichten über die Ungerechtigkeiten, die ihm seit seinem Dienstabtritt aus seinem Eichmannreferat (das gilt es als Kapitelzählung zu entdecken) widerfahren sind, die Arbeit, die er nicht vollenden konnte, das Gute, dass er damit den Juden ermöglicht hatte, nämlich endlich ihr Gelobtes Land ihr eigen nennen zu dürfen und überhaupt, er hatte eigentlich nur seine Pflicht erfüllt und Befehlen gehorcht.
In seinem Exil, unter dem Schutz Perons, abgesichert durch ein deutsches Netzwerk von Kriegsflüchtigen, die mit ihren Beziehungen für Unterkunft und Auskommen sorgen, versteigt sich Klements immer weiter in seine Gedankenwelt, entwickelt Pläne für die gloreiche Rückkehr nach Deutschland und die Anerkennung seiner sorgfältigen und effizienten Kriegsarbeit. Verblendet wie er ist, erkennt er auch nicht die Gefahr, als sein ältester Sohn ihn eines Tages fragt, woran man eine Jüdin denn erkennen könne. Vielmehr spielt er weiter mit dem Feuer und sucht die Freundschaft mit Helmut Gregor, alias Josef Mengele.
Die Observation Klements durch den israelischen Geheimdienst hat längst begonnen, doch erst nach seiner Festnahme und in Isolation besinnt er sich auf seinen echten Namen und neben möglichen Rechtfertigungen hat er sogar ein paar Gedanken für seine jüdischen Leidensgenossen übrig.

Dieses Buch konzentriert sich allein auf die verquere Gedankenwelt Eichmanns im Exil. Fassungslos und angeekelt folgt man seinem inneren Monolog (belegt durch existierende Tonbandaufzeichnungen) und seiner sturen Weltanschauung, der jegliche Reue und Einsicht fehlt. Die verschachtelten Sätze reduzieren nicht nur das Lesetempo, so dass niemand vorzeitig aus dem Wahnsinn entlassen wird, sondern kommt dem Ton Eichmanns im wahren Leben auch sinnhaft nah.

Was anfangs wie eine boshaft stichelnde Überspitzung eines verstockten Nazis im Exil daherkommt entpuppt sich im Nachhinein als Aufarbeitung der ganz persönlichen Vergangenheit Ariel Magnus, eine Bringschuld an seinen Vater und eine Hommage an seine Großmutter. Erst das vorletzte Kapitel "After Office" stellt diesen Zusammenhang her und gibt all dem vorangegangenen Entsetzen eine bittere Note, die weh tut, einen Messerstich der so tief sitzt, dass es eins dieser Bücher bleibt, die man so schnell nicht vergisst. Der fiktionierte Eichmann bekommt das volle Ausmaß an Realismus zurück, den man niemals wegdiskutieren kann, egal wie verquer die Gedanken sein mögen.

Ein nicht gaz einfaches Buch, aber gut und sehr wichtig!